Press Club in Kaschmir geschlossen: Verlust eines sicheren Ortes

Kaschmirs Pressevereinigung wird geschlossen. Widerstand dagegen war bisher vergebens, die indische Regierung bleibt hart.

Mehrere Personen sitzen an enem Tisch um einen Laptop herum

Kaschmirische Reporter diskutieren die Schließung des Press Club Ende Januar Foto: Dar Yasin/ap

Das Vorhängeschloss hält die dunkle Tür des Kashmir Press Club (KPC) im nordindischen Srinagar fest verschlossen. Mitte Januar gab die Regierung bekannt, dass die größte Journalistenvereinigung im Tal seine Registrierung verloren hat. „Einen weiteren Schlag gegen die Demokratie“, nennt Nazir Masoodi, der lokale Büroleiter des unabhängigen TV Senders NDTV, die jüngsten Ereignisse im indischen Teil Kaschmirs.

Dabei sollten Mitte Februar Wahlen im Kashmir Press Club stattfinden. Während der Klub in der ersten Maiwoche 2021 eine erneute Registrierung beantragte und der Registrar of Societies sie am 29. Dezember ausstellte, wurde sie zwei Wochen später, am 14. Januar, unter Berufung auf einen Bericht der Kriminalpolizei der Polizei von Jammu und Kaschmir „ausgesetzt“, schreibt die indische Zeitung Indian Express.

Am Tag nach der Wahlterminbekanntgabe übernahmen jedoch „regierungsnahe“ Journalisten in Begleitung von bewaffneten Beamten die Räumlichkeiten. Sie wollten verhindern, dass unabhängige Jour­na­lis­t:in­nen das Gelände betreten und erklärten, die Leitung übernommen zu haben, fasst es Masoodi in einem Blogbeitrag zusammen. Er beklagt weiter, dass in der Himalaja-Region „demokratische Prozesse ausgehebelt werden“, nicht nur im Bereich der Pressefreiheit. „Kaschmir hat alle seine sozialen Räume verloren“, so Masoodi.

Seit dem Ende der Kolonialzeit wird Kaschmir von Indien, Pakistan und China beansprucht. 2019 hatte sich die Lage im indisch verwalteten Teil des einstigen Fürstentums verschärft. Durch eine Verfassungsänderung wurden aus dem teilautonomen Bundesstaat zwei zentral verwaltete Unionsterritorien. Im Jahr darauf folgte die Pandemie, die die Region schwächte. Separatisten (die teilweise von Pakistan unterstützt werden) bekamen Aufschwung.

Doch der Presseklub blieb ein „sicherer Ort, an dem wir uns mit unseren Kollegen unterhalten und Gedanken austauschen konnten“, sagt die 26-jährige Quratulain Rehbar gegenüber der taz. Sie arbeitet seit vier Jahren als Reporterin für indische und internationale Medien wie The Wire oder Vice. Der Klub war kaum ein paar Jahre alt, doch mit 300 Mitgliedern galt er als wichtige Vereinigung unabhängiger Re­por­te­r:in­nen in der Region. Im selben Jahr, indem der Bundesstaat Jammu und Kaschmir seine Teilautonomie verlor, folgte die Anordnung, sich als Verein zu registrieren und bürokratische Hürden kamen auf.

Platz für Medien schwinde

Damals eskalierte die Situation in der Region. Nach der besagten Verfassungsänderung im mehrheitlich muslimischen Kaschmir durch die hindunationalistische Regierung in Delhi wurden Oppositionelle unter Hausarrest gestellt, ein Versammlungsverbot verhängt und Internet- und Telefonverbindungen unterbrochen. Für Rehbar war der Presseklub zu diesem Zeitpunkt die einzige Möglichkeit zu erfahren, was in anderen Teilen der Region vor sich ging.

Die Schließung des Klubs bedeute, dass der Platz für Medien schwinde, sagt Rehbar. „Die meisten kaschmirischen Journalisten trafen sich hier nach ihren Aufträgen und arbeiteten vor Ort“, sagt sie. Der nächste Presseklub befindet sich im 260 Kilometer entfernten Jammu. So gut wie alle indischen Großstädte haben mindestens einen Presseklub als Anlaufstelle für Medienschaffende, die sich in der Nähe der politischen Zentren befinden. Srinagar zog 2018 verspätet nach.

Ein anderer kaschmirischer Journalist, der aus persönlichen Gründen nicht genannt werden möchte, sagt, die Regierung habe die einzige unabhängige Institution geschlossen, die sich für das Wohlergehen von Medienschaffenden in Kaschmir einsetze. Er weist darauf hin, dass Journalisten häufig auf Polizeistationen vorgeladen werden, eingeschüchtert würden oder Verfahren gegen sie nach dem Antiterrorgesetz UAPA oder aufgrund von sogenannten anti-indischen Aktivitäten eingeleitet werden.

Kritik an Regierung

Organisationen wie Reporter ohne Grenzen kritisierten in der Vergangenheit die Anwendung des Antiterrorgesetzes gegenüber Medienschaffenden und ebenso die Schließung des Presseklubs. Es sei Ergebnis eines von der lokalen Regierung ausgeheckten Putsches und eine Beleidigung für alle Journalist:innen, die versuchen, ihre Arbeit im Kaschmirtal zu machen, das sich in ein „schwarzes Loch“ verwandelt habe. „Indische Jour­na­lis­t:in­nen müssen ihre Arbeit frei ausüben können, dazu gehören auch geschützte Räume“, so ROG. Auch Stimmen in Indien fordern die Wiedereröffnung des Presseklubs.

Die Regierung verteidigte ihr Vorgehen dagegen. Der Klub habe es versäumt, sich erneut zu registrieren und Wahlen für ein neues Führungsgremium abzuhalten. Laut Medienberichten hatte die Regierung von Kaschmir eine Neuregistrierung bereits Ende 2021 ausgestellt, sie jedoch kürzlich wieder zurückgezogen. Das Gebäude des Presseklubs wurde mittlerweile der staatlichen Grundstücksverwaltung übergeben, das Namensschild entfernt.

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