Preisanstieg für Energie: Die Stromversorger langen zu
Pünktlich zum neuen Jahr erhöhen fast 240 Energiekonzerne die Preise. Schuld daran ist angeblich die Ökostromumlage. Inkasso für den Staat?
BERLIN taz | Nie war uns Energie so wertvoll wie heute: Ein Liter Super E10 kostet derzeit locker über 1,50 Euro. Die Preise für Heizöl zogen seit Jahresbeginn um 7 Prozent an. Gas wird zum Jahreswechsel etwa 10 Prozent teurer. Und am heftigsten drehen gerade die Stromversorger an der Preisschraube, zum zwölften Mal in Folge: Millionen Menschen müssen im kommenden Jahr bis zu 19 Prozent mehr für Elektrizität hinblättern.
Bis zum Donnerstag hatten 238 Versorger Erhöhungen von durchschnittlich 12 Prozent zum Jahreswechsel angekündigt – laut dem Onlinevergleichsportal Verivox der größte jemals registrierte Aufschlag. Einen Musterhaushalt koste das, je nach Bemessungsgrundlage, zwischen 50 und rund 110 Euro mehr im Jahr. Strompreiserhöhungen müssen in der Regel spätestens sechs Wochen im Voraus angekündigt werden, damit die Kunden Zeit zum Wechsel haben. Daher hatten die Versorger bis zum Donnerstag Zeit, die Preise für 2013 „anzupassen“.
Auch Vattenfall schlug zu. In Hamburg und im Großraum Berlin müssen sich über zwei Millionen Kunden des schwedischen Stromversorgers auf massive Preiserhöhungen einstellen. Der Konzern werde seine Tarife um rund 13 Prozent oder 3,47 Cent pro Kilowattstunde anheben, sagte ein Sprecher. Es handele sich um die größte Preiserhöhung in der Konzerngeschichte. Zuvor hatten bereits die anderen großen Versorger EnBW, Eon und RWE Aufschläge angekündigt. Auch die Ökostromer machten mit: Die Energie-Genossenschaft Greenpeace Energy kündigte am Donnerstag ebenfalls Strompreisaufschläge an, allerdings „unter 10 Prozent“.
Größter Preistreiber ist in den Augen vieler der Staat. Von dem Aufschlag gehen laut Vattenfall-Vertriebschef Rainer Wittenberg rund 85 Prozent auf das Konto von Steuern und Abgaben, vor allem die EEG-Umlage. Sie steigt 2013 von 3,6 auf 5,3 Cent je Kilowattstunde. Immerhin: Für 2014 prognostizierten die zuständigen Übertragungsnetzbetreiber gestern eine relativ konstante Umlage zwischen 4,89 Cent und 5,74 Cent pro Kilowattstunde.
„Verlogene Debatte“
Mit der Abgabe werden die Kosten für die staatlich garantierte Einspeisevergütung für Ökostrom auf alle Stromkunden umgelegt. „Wir machen Inkasso für den Staat“, meint Vattenfall-Manager Wittenberg.
Viele verdienen am Strom: Staat, Kommunen, Energieerzeuger und -händler, Netzbetreiber sowie die Betreiber von Windrädern und Solaranlagen.
Kosten für Beschaffung und Vertrieb sowie die Margen der Lieferanten sind von etwa 4 Cent/Kilowattstunde im Jahr 2003 auf 8 Cent/kWh im Jahr 2012 gestiegen. Dazu kommen die Netznutzungsentgelte. Sie sind seit 2007 von 7,1 auf 5,8 Cent/kWh gefallen.
Der Staat kassiert Mehrwertsteuer, Stromsteuer und eine Konzessionsabgabe für Kommunen.
Die EEG-Umlage zur Förderung der Erneuerbaren steigt 2013 von 3,6 auf 5,3 Cent/kWh. Darin enthalten: die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung, seit Jahren liegt sie konstant bei etwa 0,3 Cent/kWh. (taz)
Für die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ist das alles kein Grund, an der Energiewende zu zweifeln. Industrie und Politik führten jedoch eine „verlogene Debatte“ gegen die Energiewende, erklärte der Verband in Berlin. Die meisten privaten Haushalte würden auch 2013 nur 2,5 Prozent ihrer Ausgaben für Strom ausgeben – inklusive gestiegener EEG-Umlage, kaum mehr als im Jahr zuvor. „Der Strompreis ist kein Preistreiber für die meisten Haushalte“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Michael Spielmann.
Anders sieht das für einkommensschwache Privathaushalte aus. Für diese ist die Verteuerung von Energie inzwischen stark im Portemonnaie spürbar. 2012 musste ein Musterhaushalt mit vier Personen fast 5.000 Euro Kosten für Sprit, Heizung und Strom schultern. Vor zwölf Jahren waren es noch gut 2.700 Euro.
Die DUH schlägt deshalb eine Entlastung bei der EEG-Umlage vor: Für die Jahre 2008 bis 2013 insgesamt würde diese für besonders stark betroffene Arbeitslose und Bafög-Empfänger laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung nur etwa 154 Millionen Euro kosten. Zum Vergleich: Der Bund nimmt allein 2013 etwa 1,4 Milliarden Euro Mehrwertsteuer durch die Ökostromumlage ein.
Was kann man noch tun, um die Preise im Griff zu bekommen? Verbraucherschützer empfehlen einen Mix aus Anbieterwechsel und konsequentem Sparen. „Das ist der Charme der Liberalisierung“, sagt eine Sprecherin der Bundesnetzagentur. „Der Kunde hat die Möglichkeit zu gucken, ob es anderswo billiger geht.“ Etwa 40 Prozent der Deutschen haben noch nie ihren Stromlieferanten gegen einen billigeren Anbieter getauscht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl