Präsidentschaftswahlen in Kolumbien: Etappensieg für linken Kandidaten
Der linke Gustavo Petro gewinnt die erste Runde der Wahlen in Kolumbien. In die Stichwahl muss er gegen den Trump-Fan Rodolfo Hernández.
Petro, der in allen Umfragen vorne gelegen hatte, sprach von einem „Tag des Triumphs“, als er am Abend in Bogotá vor seine Anhängerschaft trat. Das Ergebnis ist eine Niederlage für die seit Jahrzehnten das konservative Land regierende Rechte um den mächtigen Ex-Präsidenten Álvaro Uribe. Der hatte 2018 dem jetzigen Präsidenten Ivan Duque ins Amt verholfen – und auch Fico Gutiérrez seine Unterstützung zugesichert.
„Heute geht es um den Wandel“, sagte Petro nach der Veröffentlichung der Wahlergebnisse. „Eine Ära geht zu Ende. Jetzt geht es darum, die Zukunft zu gestalten.“ Und an die kolumbianischen Unternehmer gerichtet: „Jetzt ist der Moment zu entscheiden. Ich biete Ihnen soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Stabilität an.“ Petro wäre der erste linke Präsident Kolumbiens.
Mit Rodolfo Hernández trifft er in der Stichwahl auf einen schwierigen Gegner. Hatte Gutiérrez mit Kontinuität im Wahlkampf punkten wollen, setzte Hernández genau wie Petro rhetorisch auf Veränderung. Ansonsten könnten die beiden nicht unterschiedlicher sein.
Gegenkandidat Hernández mag Trump und ist auf TikTok
Der 62-jährige Ökonom Gustavo Petro trat als Teenager der urbanen M-19-Guerilla bei und demobilisierte sich 1990 mit ihr. Er ist seit Jahrzehnten Berufspolitiker, war Bürgermeister von Bogotá und zuletzt Senator. Als solcher deckte er Verbindungen zwischen Politikern aus dem Lager des Ex-Präsidenten Álvaro Uribe und den Paramilitärs auf. Petro hat einen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Reformkurs angekündigt, um die krasse Ungleichheit im Land anzupacken, und zieht mit der Schwarzen Bürgerrechtlerin und Umweltschützerin Francia Márquez als Vize ins Rennen.
Der Parteilose Rodolfo Hernández war mit 77 Jahren der älteste Kandidat. Der frühere Bürgermeister der Stadt Bucaramanga wurde landesweit bekannt mit einem Video, in dem er in einem cholerischen Anfall einem Stadtrat eine schallende Ohrfeige verpasste. Seinen raketenartigen Aufstieg im Wahlkampf verdankt er einem Social-Media-Berater, der schon El Salvadors autoritären Präsidenten Nayib Bukele und US-Präsident Donald Trump unterstützte. Hernández ist Fan von beiden, zudem hat er Bewunderung für Adolf Hitler geäußert. Vor allem auf TikTok macht er auf lustigen Alten.
Wie Trump ist Hernández im Baugeschäft reich geworden, seine Botschaften sind einfach gestrickt, seine politischen Inhalte dünn gesät und er widerspricht sich regelmäßig. Er hat bei keinem der Wahlduelle mitgemacht – die Kolumbianerïnnen haben seine Positionen also nie im direkten Vergleich mit der Konkurrenz gehört.
In der Vergangenheit fiel er auf mit Sexismus und in seiner Zeit als Bürgermeister mit rassistischen Bemerkungen über Flüchtlinge aus Venezuela. Im Wahlkampf war sein Steckenpferd der Kampf gegen die alten politischen Eliten und die Korruption – in Form von Ausgaben-Kürzungen. Dabei ist er der einzige Kandidat, gegen den wegen Korruption ermittelt wird.
Über 320 Berichte zu Unregelmäßigkeiten bei der Wahl
Der Wahltag verlief wider Erwarten überwiegend friedlich. ELN- Guerilla und Farc-Dissidenzen hielten sich offenbar an den angekündigten Waffenstillstand. Zum ersten Mal hatte die EU schon Monate vor der Wahl Beobachterïnnen geschickt.
Die Zeit des Wahlkampfs war die gewalttätigste der vergangenen zwölf Jahre gewesen laut Wahlbeobachtungsmission MOE. Bei Schließung der Wahllokale lagen ihr 322 Berichte über mutmaßliche Unregelmäßigkeiten und Delikte vor. Eine Wahlhelferin wurde in einem Dorf in der Region Meta ermordet, als sie Wahlunterlagen wegtransportierten wollte, und ein Soldat verletzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?