Präsidentschaftswahlen in Chile: Hoffnungsträgerin Jara
In Chile tritt in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl ein Pinochet-Nachfolger gegen eine Frau aus der Arbeiterklasse an. Hat Jara Chancen?
A ls Jeannette Jara zur Präsidentschaftskandidatin der chilenischen Linken gewählt wurde, läutete sie einen neuen politischen Moment ein. Noch nie hatte eine Frau aus der Arbeiter*innenklasse die Chance, Präsidentin zu werden. Jara, Tochter eines Mechanikers und einer Hausfrau, groß geworden in einer Armensiedlung im Norden Santiagos, verkörpert das Chile, das selten politische Repräsentation findet. Jara betont immer wieder, dass sie eine Kämpferin ist, so wie all die Chilen*innen, die morgens früh aufstehen und hart arbeiten, ohne dafür angemessen entlohnt zu werden. Viele Menschen identifizieren sich mit ihrem Lebensweg, weil sie authentisch und nahbar ist. Und das macht sie zur Hoffnung der Linken.
Jara nutzt ihre Herkunft im Wahlkampf. Ihre Kampagne setzt auf sozialpolitische Themen, die die materiellen Lebensbedingungen der arbeitenden Klasse verbessern sollen: öffentliches Gesundheitswesen, bezahlbarer Wohnraum, Lohnerhöhungen. Sie steht damit für eine Politik von unten, die nicht nur die eigene Basis, sondern einen breiten Teil der Bevölkerung anspricht.
Als Arbeitsministerin in der Regierung von Gabriel Boric setzte sie die schrittweise Reduktion der Wochenarbeitszeit von 45 auf 40 Stunden durch, erhöhte den Mindestlohn und verhandelte über eine Rentenreform. Sie verspricht keine großen Transformationen so wie Boric, sondern kleine, aber konkrete Reformen. Ihr Stil ist pragmatisch, sachlich, konsensorientiert.
Jaras Gegner, José Antonio Kast, führt einen Wahlkampf, der Angst schürt und gleichzeitig Sicherheit und Ordnung verspricht. Er präsentiert sich als starker Mann, der „durchgreifen“ will. Seine Nähe zu Pinochet und seine autoritären Tendenzen machen ihn zu einer realen Gefahr für die chilenische Demokratie. Um die Stichwahl zu gewinnen, muss Jara die Menschen erreichen, die Angst haben, sich aus der Politik ausgeschlossen fühlen, und frustriert sind. Wenn sie es schafft, Vertrauen aufzubauen und einen breiten Teil der Gesellschaft anzusprechen, könnte sie ein Gegenentwurf sein zu Angstpolitik und rechtem Autoritarismus.
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