Präsidentschaftswahl in den USA: Biden macht den Weg frei

Die Demokraten müssen sich nach Bidens Rückzug für eine Nachfolge entscheiden. Wahrscheinlich fällt die Wahl auf Kamala Harris – sicher ist es nicht.

Biden und Harris am Balkon des Weißen Hauses

Hätte er den Staffelstab nur schon früher übergeben. Joe Biden und Kamala Harris am Balkon des Weißen Hauses vor drei Wochen Foto: Evan Vucci

WASHINGTON taz | US-Präsident Joe Biden hat sich dem immer höherer werdenden Druck aus seiner Partei gebeugt und seine Kandidatur für eine erneute Amtszeit zurückgezogen. Dies verkündete der 81-jährige Demokrat am Sonntag in einem Schreiben, das auf verschiedenen sozialen Plattformen veröffentlicht wurde. Biden, der aktuell eine Coronavirus-Infektion auskuriert, erklärt darin, dass er diese Entscheidung zugunsten seiner Partei und des Landes getroffen habe.

„Obwohl es meine Absicht war, mich zur Wiederwahl zu stellen, glaube ich, dass es im besten Interesse meiner Partei und des Landes ist, wenn ich zurücktrete und mich für den Rest meiner Amtszeit ausschließlich auf die Erfüllung meiner Pflichten als Präsident konzentriere“, schrieb Biden.

Zum ersten Mal seit mehr als fünfzig Jahren verzichtet damit ein amtierender US-Präsident auf eine erneute Kandidatur. Zuletzt hatte der Demokrat Lyndon B. Johnson im März 1968 verkündet, dass er nicht für eine zweite Amtszeit antreten werde. Der Grund dafür war damals die zunehmende Ablehnung des Vietnam-Kriegs in der Bevölkerung und die deswegen fallenden Umfragewerte Johnsons.

Bidens größtes Manko ist nicht etwa seine Politik, sondern sein fortschreitendes Alter. Er ist schon jetzt der älteste Präsident in der Geschichte des Landes und nach seiner katastrophalen Leistung in der ersten und bislang einzigen TV-Debatte mit Ex-Präsident Donald Trump, haben sich immer mehr Menschen die Frage gestellt, ob Biden in der körperlichen und geistigen Verfassung sei, weitere vier Jahre das Land zu führen. Bis zu seinem Rückzug am Sonntag hatten bereits mehr als 25 Abgeordnete des US-Repräsentantenhauses und eine Handvoll Senatoren den Präsidenten dazu aufgefordert, seine Kandidatur zu beenden.

Die größte Ehre seines Lebens

In seinem Schreiben erklärte Biden, dass er weitere Details zu seiner Entscheidung in den kommenden Tagen bekanntgeben werde. Er fügte hinzu, dass es die größte Ehre seines Lebens sei, den amerikanischen Menschen als Präsident zu dienen. Unter seiner Führung habe das Land riesige Fortschritte gemacht.

Die Reaktionen zu Bidens Rückzug spiegeln das aktuelle politische Klima in den USA wider. Demokraten huldigten im Anschluss Bidens politische Karriere und seine Präsidentschaft. Ex-US-Präsident Barack Obama, unter dem Biden als Vizepräsident fungierte, bezeichnete ihn als einen der „bedeutsamsten Präsidenten“ in der Geschichte. Er sei ein „historisches Beispiel für einen echten Staatsdiener, der einmal mehr die Interessen des amerikanischen Volkes über seine eigenen stellt“, sagte Obama in einer schriftlichen Stellungnahme.

Ex-Präsident Bill Clinton und seine Frau, die ehemalige US-Außenministerin Hillary Clinton, priesen Bidens „außergewöhnliche Karriere“. Diese bringe er nun mit einer Präsidentschaft zu Ende, in der er „Amerika aus einer beispiellosen Pandemie geführt, Millionen neuer Arbeitsplätze geschaffen, eine angeschlagene Wirtschaft wieder aufgebaut, unsere Demokratie gestärkt und unser Ansehen in der Welt wiederhergestellt.“

Der Fraktionsführer der Demokraten im US-Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, erinnerte daran, dass Biden mit seinem Wahlsieg vor vier Jahren gegen Trump die amerikanische Demokratie gerettet habe.

Wer soll Biden ersetzen?

Von republikanischer Seite war der Tenor allerdings einer anderer. Wenn Biden nicht fit genug sei, um für das Präsidentenamt zu kandidieren, dann sei er auch nicht fit genug, im Amt zu sein, sagte der Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson. Biden solle das Amt sofort niederlegen.

In einer Reihe von Posts auf Truth Social bezeichnete Trump den ausgeschiedenen Kandidaten als „schlechtesten Präsidenten“ in der US-Geschichte. Die Medien, Bidens Hausarzt und seine engsten Vertrauten hätten die Bevölkerung über dessen Gesundheitszustand bewusst hinters Licht geführt. „Wen auch immer die Linke jetzt aufstellt, es wird nur mehr vom Gleichen geben“, erklärte er.

Die Frage, die sich Demokraten nun stellen müssen, ist, wer soll Biden ersetzen? Weniger als vier Monate vor der Wahl drängt die Zeit. Biden selbst hat in einem Post auf X (ehemals Twitter) für seine Vizepräsidentin Kamala Harris plädiert.

„Meine allererste Entscheidung als Parteikandidatin im Jahr 2020 war, Kamala Harris als meine Vizepräsidentin auszuwählen. Und es war die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe. Heute möchte ich meine volle Unterstützung dafür aussprechen, dass Kamala dieses Jahr die Kandidatin unserer Partei wird. Demokraten – es ist Zeit, zusammenzukommen und Trump zu besiegen“, so der Präsident.

Neuland betreten

Die ehemalige kalifornische Senatorin hat die mit Abstand besten Chancen, sich die Nominierung der demokratischen Partei zu sichern. Sie selbst erklärte, dass es ihre Absicht sei, die Nominierung „zu verdienen und zu gewinnen“.

Mehrere demokratische Kongressabgeordnete und politische Organisationen, unter anderem der einflussreiche Congressional Black Caucus, haben sich Biden angeschlossen und ihre Unterstützung Harris zugesichert. Andere haben hingegen noch offengelassen, wer ihrer Meinung nach Biden ersetzen soll. So wie Ex-Präsident Obama, der einen offenen Nominierungsprozess bevorzugt.

„Wir werden in den kommenden Tagen Neuland betreten. Aber ich bin außerordentlich zuversichtlich, dass die Führung unserer Partei einen Prozess in Gang setzen wird, aus dem ein hervorragender Kandidat hervorgeht“, erklärte Obama.

Auch andere zeigen sich einer Art „Mini-Primary“ offen gegenüber. Dabei würden mehrere Kandidaten und Kandidatinnen gegeneinander antreten. Die demokratische Partei wird im kommenden Monat ihren Nominierungsparteitag in Chicago abhalten, bis dahin müsste ein Kandidat oder eine Kandidatin gefunden werden. Wenn nicht, könnte es zu einem offenen oder ausgehandelten Nominierungsparteitag kommen. In diesem Fall könnten entweder die Delegierten entweder komplett frei wählen oder hochrangige Parteifunktionäre verhandeln in den Hinterzimmern darüber, wer die Spitzenkandidaten sein sollen. So wurde es bis 1968 regelmäßig gehandhabt.

Kann Trump geschlagen werden?

Auch wenn Harris den einfachsten Weg zur Nominierung hat – Demokraten müssen in den kommenden Tagen und Wochen klären, wie sie weiter vorgehen.

Und auch dann bleibt noch immer die Frage, ob der gefundene Ersatz Trump im November schlagen kann. Aktuelle Umfragen zeigen, dass Demokraten in den wichtigen „Swing States“ im Rückstand liegen. Doch nicht nur dort können die Demokraten wohl bald – ohne sich an Bidens Alter abarbeiten zu müssen – anfangen, Trump dort zu attackieren, wo er und die Republikaner, Schwächen zeigen, allen voran bei Themen wie Abtreibung und Klimaschutz.

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