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Präsidentschaftswahl in GriechenlandKonservativ genug

Stavros Dimas tritt als Präsidentschaftskandidat der Regierung an. Sein Stil besticht durch Kompetenz und Integrität. Ein Porträt.

Müsste als Präsident auch mal einen Stift in die Hand nehmen: Stavros Dimas. Bild: dpa

ATHEN taz | Der jüngste politische Witz in Athen geht so: „Dimas als Präsident? Das gibt‘s nicht. Da müsste er doch Gesetze unterschreiben.“ Hintergrund: Als Minister war der konservative Politiker Stavros Dimas, der bei der Wahl des griechischen Staatsoberhaupts am Mittwoch als Kandidat der Regierung antritt, mit seiner Unterschrift spärlich umgegangen.

Manchmal mussten die Kollegen dem Vernehmen nach tagelang nach ihm suchen, weil einzig seine Unterschrift auf Gesetzen fehlte. Wer gar nicht unterschreibt, der unterschreibt auch nichts Falsches, dachte sich wohl der weise Dimas.

Vielleicht ist aber auch ein Quentchen Neid dabei. Der Witz nämlich wird erzählt über einen Mann, dessen Arbeitsstil durch Kompetenz und Integrität besticht – was ihm nicht nur Freunde beschert. Unvergesslich bleibt die Auseinandersetzung des heute 73-jährigen Dimas Anfang der 90er Jahre mit dem konservativen Regierungschef Konstantin Mitsotakis. Genauer gesagt: mit der Ehefrau von Mitsotakis.

Die wollte nämlich während einer Dienstreise den damaligen Industrieminister Dimas aus eher unwichtigem Grund öffentlich rügen. „Den Stress habe ich nicht nötig“, dachte sich der Mann, der in den USA Ökonomie studierte und anschließend in der Wall Street und bei der Weltbank arbeitete. Dimas protestierte seinerseits gegen den institutionell nicht vorgesehenen Eingriff der Premiergattin – und musste gehen.

Ein Comeback erlebte der dreifache Familienvater 2004, erst als EU-Kommissar für Soziales, dann als Umweltaufpasser in der ersten Barroso-Kommission. Es folgten mehrere Spitzenämter in der konservativen Partei. Seine Nominierung für das höchste Staatsamt sendet nun eine deutliche Botschaft: Dimas ist nicht so konservativ, dass Gemäßigte abgeschreckt würden. Aber konservativ genug, um bei unabhängigen Abgeordneten und rechtsgerichteten Splitterparteien auf Stimmenfang zu gehen.

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