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Präsidentschaftswahl in El SalvadorDie Linke hat fertig

Wie die Ex-Guerilla FMLN als Regierungspartei ihre Wähler enttäuscht hat. Und warum am Sonntag ein Kandidat ohne Programm gewinnt.

Diese Wählerin in San Salvador unterstützt Nayib Bukele. Er hat kein Programm, twittert aber viel Foto: reuters

SAN SALVADOR taz | Die Mordquote ist seit Jahren eine der höchsten der Welt, mehr als doppelt so hoch als in Mexiko mit seinem Drogenkrieg. Opfer sind in der überwiegenden Mehrheit junge Männer aus den Armenvierteln. In der Polizei gibt es Todesschwadronen, die Verdächtige gezielt erschießen. Menschenrechtsorganisationen nennen dies „außergerichtliche Hinrichtungen“. Der Vizepräsident hat solche staatlichen Killer sogar schon öffentlich ermuntert. Polizisten, sagte er, brauche die Hand beim Schießen nicht zu zittern. Sie hätten nichts zu befürchten.

Jeden Tag fliehen zwischen 300 und 400 Menschen vor Gewalt, Armut und Hoffnungslosigkeit aus dem Land. Es handelt sich nicht um Brasilien unter seinem rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro. Es geht um das zentralamerikanische El Salvador mit seinen rund sechs Millionen Einwohnern. Seit zehn Jahren regiert dort die Linke. Am kommenden Sonntag wird ein neuer Präsident gewählt und die Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) wird aller Voraussicht nach die schwerste Niederlage erleiden, seit sie von einer marxistischen Guerilla zur Partei geworden ist.

Ihr Kandidat Hugo Martínez, lange Jahre Außenminister, erreicht in den allermeisten Umfragen nicht einmal ein zweistelliges Ergebnis. Sogar bei ihrer ersten Kandidatur, im März 1994, hatte ihr damaliger Präsidentschaftsanwärter Rubén Zamora im ersten Wahlgang knapp 25 Prozent der Stimmen erzielt. Es folgten fünfzehn Jahre in der Opposition. Zwar hatte die FMLN in dieser Zeit über zwei Legislaturperioden die stärkste Parlamentsfraktion, die Präsidentschaft aber konnte sie nie gewinnen.

Schafik Handal, viele Jahre Generalsekretär und Fraktionsvorsitzender, hatte dies immer als das kleinere Übel hingenommen. „Lieber sind wir in der Opposition und bleiben unseren Idealen treu, als dass wir sie verraten, um an die Macht zu kommen“, hat er einmal in einem Interview gesagt. Handal war immer dagegen gewesen, aus Machtkalkül mit dem beliebten parteilosen Fernsehjournalisten Mauricio Funes als Präsidentschaftskandidaten anzutreten.

Alles sollte anders werden

Handal erlag Anfang 2006 einem Herzinfarkt. Drei Jahre später kam die FMLN mit Funes als Präsident an die Macht. Bei seiner Amtseinführung versprach der eine Regierung für die Armen, die die Menschenrechte in den Mittelpunkt stelle und gegen Korruption und Straffreiheit kämpfe. Das Amnestiegesetz, das die Kriegsverbrecher des Bürgerkriegs (1980 bis 1992) bis heute schützt, solle fallen. Für Posten in der Regierung sollten nicht Familienverhältnisse ausschlaggebend sein, sondern allein das Sachwissen.

Kurzum: Es sollte alles ganz anders werden als unter den zwanzig Jahren der Regierung der rechtsextremen Oligarchenpartei Arena. Es herrschte Aufbruchstimmung, aber nur für einen Moment.

Beide Parteien, die El Salvadors Politik über Jahrzehnte geprägt haben, sind desavouiert

Die FMLN hat in den vergangenen zehn Jahren alle Versprechen gebrochen, für die sie zwei Mal gewählt worden ist. Nie wurde eine Steuerreform angegangen, die die Oberschicht zugunsten von Sozialprogrammen für die Armen belastet hätte. An der überbordenden Gewalt – drei große Zusammenschlüsse von Banden überziehen das Land flächendeckend mit Schutzgelderpressung, kontrollieren den Drogen- und Menschenhandel und setzen ihren Machtanspruch mit Tausenden Morden in jedem Jahr durch – ist die FMLN genauso gescheitert wie zuvor Arena.

Zwar hatte die Regierung Funes mit dem organisierten Verbrechen verhandelt und damit die Zahl der Morde für ein paar Monate reduziert. Der ehemalige Guerilla-Kommandant Salvador Sánchez Cerén aber setzte dann als zweiter Präsident von der FMLN von 2014 bis heute wieder auf Repression. Sein Vizepräsident Óscar Ortiz – auch er ehemals FMLN-Comandante – gab Verdächtige zum Abschuss frei.

Korruption und Vetternwirtschaft

Kriegsverbrecher genießen unter der FMLN-Regierung den selben Schutz wie zuvor unter Arena. Als 2016 Spanien mit einem internationalen Haftbefehl die Auslieferung von neun Militärs verlangte, die für ein Massaker an der Führungsriege der Jesuitenuniversität im Jahr 1989 verantwortlich sind, gewährte ihnen die Regierung in einer Kaserne Schutz. Die Generalamnestie für im Bürgerkrieg begangene Verbrechen gilt bis heute.

Und das, obwohl der Interamerikanische Menschenrechtsgerichtshof 2012 ihre Aufhebung angeordnet und das salvadorianische Verfassungsgericht sie 2016 für verfassungswidrig erklärt hatte. Medardo González, seit 2004 Generalsekretär der FMLN, begründet die Weigerung, den gerichtlichen Anordnungen nachzukommen, genauso wie zuvor extreme Rechte: Eine Aufhebung der Amnestie „ist nicht opportun und schafft nur Instabilität“.

Auch der versprochene Kampf gegen Korruption und Vetternwirtschaft war kaum mehr als ein Lippenbekenntnis. Funes holte nicht nur seine damalige Ehefrau Vanda Pignato ins Kabinett, sondern ließ auch seiner damaligen Geliebten und heutigen Partnerin Ada Mitchell Guzmán einen Diplomatenpass ausstellen, obwohl sie keinerlei Funktion ausübte. Sánchez Cerén machte seine Enkelin zur Chefin der staatlichen Armutsbekämpfungsprogramme – ganz ohne jegliche Ausbildung und Erfahrung.

Weg frei für einen neuen Blender

Heute wirft die Staatsanwaltschaft Funes die Unterschlagung von 351 Millionen US-Dollar während seiner Präsidentschaft vor. Er entzog sich seiner Verhaftung durch die Flucht nach Nicaragua.

Generalstaatsanwalt Douglas Meléndez hatte zuvor dessen rechten Amtsvorgänger Saca wegen der Unterschlagung von 300 Millionen Dollar vor Gericht gebracht. Saca bekam zehn Jahre Haft. Als Ende vergangenen Jahres im Parlament die Verlängerung der Amtszeit von Meléndez anstand, wurde die von der FMLN und Arena abgelehnt. Stattdessen hievte diese Links-Rechts-Koalition einen rechten Oligarchen ins Amt des Generalstaatsanwalts.

So sind nun die beiden Parteien desavouiert, die die Politik El Salvadors in den vergangenen drei Jahrzehnten bestimmten. Alles deutet darauf hin, dass dies den Weg für einen noch kaum belasteten Blender frei macht: Nayib Bukele, derzeit Bürgermeister von San Salvador. Der 37-jährige reiche Geschäftsmann bestritt seinen Wahlkampf ohne klares Programm, postete viel auf Twitter und Facebook – und führt in den Umfragen.

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