Präsidentschaftswahl in Algerien: Neuer Staatschef, altes System

Abdelmajid Tebboune wird Präsident von Algerien. Er ist Teil des alten Machtapparats. Die Demos gehen auch nach der Wahl weiter.

Ein Demonstrant hält vor einer Menschenmenge ein rotes Schild in die Höhe.

„Keine Abstimmung“ – das ist die Meinung der Demonstranten in Algier über die Wahl am Vortag Foto: dpa

TUNIS taz | Algerien hat einen neuen Staatschef. Nach vorläufigem amtlichen Endergebnis gewann der 74-jährige ehemalige Premierminister Abdelmajid Tebboune die umstrittene Präsidentschaftswahl vom Donnerstag. Das gab die staatliche Wahlbehörde ANIE am Freitag bekannt.

Tebboune kommt demnach auf 58,2 Prozent der Stimmen und verwies seine vier Kontrahenten damit deutlich auf die Plätze. Der Vorsitzende der gemäßigt islamistischen Partei El Bina, Abdelkader Bengrina, erreichte 17,4 Prozent und der bereits 2004 und 2014 bei Präsidentschaftswahlen angetretene frühere Regierungschef Ali Benflis 10,6 Prozent der Stimmen. Eine Stichwahl fällt damit aus.

Tebboune gehört zur alten Garde des algerischen Machtapparats und bekleidete seit den 1980ern mehrere Gouverneursposten und Ministerämter. 2017 wurde er von dem im April 2019 aus dem Amt gejagten Expräsidenten Abdelaziz Bouteflika zum Premierminister ernannt, musste seinen Posten aber nur drei Monate später wieder räumen.

Bis heute ist unklar, warum Tebboune damals derart schnell wieder abberufen wurde. Sein in aller Öffentlichkeit ausgetragener Schlagabtausch mit dem Bouteflika nahestehenden Ex-Chef des Unternehmerverbandes FCE, Ali Haddad, dürfte auf die damaligen nebulösen Machtkämpfe innerhalb des Regimes jedoch keinesfalls deeskalierend gewirkt haben.

Wahlfälschungen und leere Wahllokale

Tebboune gilt als enger Vertrauter von Algeriens De-facto-Machthaber und Armeechef Ahmed Gaïd Salah. Dieser war die treibende Kraft hinter der Entscheidung, die Präsidentschaftswahlen vom Donnerstag überhaupt durchzuführen und damit zu versuchen, die weiterhin allwöchentlich gegen die Staatsführung aufbegehrende Protestbewegung auszubremsen.

Gaïd Salahs Vorhaben, mit dem Urnengang die Legitimität der politischen Führung zu erneuern, ist jedoch krachend gescheitert. Zwar lag die offizielle Wahlbeteiligung landesweit bei rund 40 Prozent, doch glaubwürdig sind die Angaben keinesfalls. Hinweise auf Wahlfälschungen häuften sich bereits am Wahltag, in weiten Teilen des Landes blieben die Wahllokale weitgehend leer.

Tebboune gilt als enger Vertrauter von Algeriens De-facto-Machthaber und Armeechef Ahmed Gaïd Salah.

Währenddessen waren am Donnerstag abermals Hunderttausende gegen die Abstimmung auf die Straßen gezogen und hatten ihrem Ärger über Gaïd Salahs kompromisslose Haltung Luft gemacht. Einsatzkräfte der Polizei und der vom Militär kontrollierten Gendarmerie waren in Algier, aber auch in der westalgerischen Stadt Oran und der östlich von Algier gelegenen Berberregion Kabylei gewaltsam gegen die Proteste vorgegangen und hatten versucht, mit Knüppeln und Tränengas die Demonstrationen aufzulösen.

Für die Protestbewegung ist das Wahlergebnis eine Provokation. Auch am Freitag zogen Zehntausende auf die Straße. Protestbewegung und Opposition setzten damit auch zehn Monate nach Beginn der Massenproteste ihre bisher friedlichen Versuche fort, das Regime zu Konzessionen zu zwingen.

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