Präsidentschaftskandidaten über Bankenkrise: Ruf nach mehr Transparenz
Die Wall-Street-Krise in den USA bietet reichlich Stoff für Zwist zwischen den Präsidentschaftskandidaten. Obama und McCain schieben sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe.
WASHINGTON taz Der demokratische Präsidentschaftskandidat Barack Obama war schnell wach. Schon am frühen Montagmorgen, nur Stunden nachdem die Investmentbank Lehman Bros. in der Nacht zum Montag offiziell Bankrott verkündet hatte, gab er sein erstes Statement zur Sache ab: "Ich gebe sicherlich nicht Senator McCain die Schuld an diesen Problemen, aber ich sehe dafür durchaus die ökonomische Philosophie verantwortlich, der er sich verschrieben hat … Statt dass Wohlstand nach unten durchsickern kann, steigt der Schmerz der gewöhnlichen Amerikaner auf."
Obama sagte in seiner Heimatstadt Chicago weiter, die Krise in der Wall Street stelle eine große Bedrohung für die US-Wirtschaft dar. "Diese Krise ist nur die letzte in einer Serie von Krisen, die enorme Unsicherheit hinsichtlich der Zukunft unserer Finanzmärkte erzeugt." Die Turbulenzen bedrohten die Fähigkeit der US-Wirtschaft, gute Jobs und damit für US-amerikanischen Angestellte und Arbeiter die Grundlage zu schaffen, auf der diese ihre Rechnungen be-und Kredite abzahlen könnten. Eine Reform der Bankenaufsicht sei längst überfällig.
Der republikanische Kandidat John McCain sagte am Montag kurze Zeit später ebenfalls, dass er, falls zum Präsidenten gewählt, sich für eine Runderneuerung der Finanzinstitutionen einsetzen werde. Er sei erfreut, dass Lehman keine staatliche Rettungsspritze erhalten habe. McCain kündigte an, dass eine McCain-Palin-Regierung "das veraltete und ineffektive Stückwerk der existierenden regulatorischen Aufsicht ersetzen" würde durch Transparenz und Verantwortlichkeit. McCains Wirtschaftsberater, Douglas Holtz-Eakin, sagte am Montag: "Wir glauben nicht, dass der Steuerzahler als Lösung für Probleme angesehen werden darf, die er nicht verursacht hat. Unglücklicherweise ist dies jedoch die Grundhaltung Barack Obamas: die Steuern erhöhen und Macht in Washington sammeln."
Zuvor, am vergangenen Freitag, hatten sowohl Obama als auch sein republikanischer Rivale, Senator John McCain, verlauten lassen, dass sie keine Sanierungsaktionen auf Kosten der Steuerzahlenden wünschten. Bereits seit Jahren fordert Obama eine Reform der Wall-Street-Aufsicht und -Regulierung, denn die Subprime-Krise und die daraus erwachsenden Probleme resultierten zu einem gewissen Teil aus mangelnder Transparenz des US-Finanzsystems. Obamas Wirtschaftsberater Jason Furman erläuterte am Montag, dass Obama eine Rettung von Lehman abgelehnt habe, weil dessen Fall anders gelagert sei als der des Wall-Street-Rivalen Bear Sterns. Für Bear Sterns hatte die Regierung zur Rettung im März eine Übernahme vermittelt.
Trotz ihrer kritischen Rhetorik sind beide Präsidentschaftskandidaten bislang finanziell kräftig von Wall-Street-Firmen unterstützt worden. Obama soll von Lehman insgesamt 395.000 US-Dollar an Wahlkampfspenden erhalten haben, McCain hingegen nur ca. 150.000 US-Dollar. McCain unterhält jedoch vergleichsweise intensive Kontakte zur US-Kreditwirtschaft.
ADRIENNE WOLTERSDORF
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