Präsidentin der Humboldt-Universität: „Die Abhängigkeit ist erheblich“

Sabine Kunst wird Präsidentin der Humboldt-Universität. Ein Gespräch über Drittmittel, Spitzenförderung und studentischen Protest.

Ein Denkmal für Alexander von Humboldt vor dem Eingang der nach ihm benannten Universität (HU Berlin).

Aus dem Kabinett ins Rektorat: Brandenburgs Wissenschaftsministerin Sabine Kunst übernimmt die Leitung der Berliner Humboldt-Universität. Foto: dpa

taz: Frau Kunst, wenn Sie zum Sommersemester i hr Amt als Präsidentin der HU antreten, sind Sie die einzige Frau an der Spitze einer der 11 deutschen Elite-Unis. Wie spitze ist das?

Sabine Kunst: Wenn Sie den Blick ein bisschen weiter schweifen lassen, wird es schon bunter. In den letzten Jahren haben auch große Universitäten wie Frankfurt am Main, Dortmund, Göttingen, Münster oder Augsburg Präsidentinnen berufen. Wir haben in Deutschland ja auch außerhalb dieses Elite-Kreises leistungsstarke Universitäten mit einem tollen Profil. Und wenn man die Entwicklung über die letzten zehn Jahre verfolgt, stellt man fest, dass es heute viel mehr Präsidentinnen gibt.

Die Elite-Unis sind eine Maßnahme der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern, deutsche Spitzenforschung international wettbewerbsfähiger zu machen. Kritiker wünschen sich eher eine Förderung in die Breite. Wo stehen Sie?

Die großen Hochschulen erwarten alle, dass die Imboden-Kommission, die am Freitag ihre Ergebnisse präsentiert, diesen Aspekt mit bewertet. Ich persönlich denke, dass es weiterhin eine Förderung für international wettbewerbsfähige Forschung geben muss. Aber auch, dass die Formate, die Exzellenz in die Breite bringen sollen, also etwa Graduiertenschulen oder Nachwuchsförderkonzepte, anerkannt werden. Hochschulen, die die Methoden von Exzellenzfächern auf andere Disziplinen übertragen, belohnen sich selbst. So wird Exzellenzförderung für alle wirksam.

Die Imboden-Kommission wird auch die 11 Exzellenz-Unis selbst bewerten. Wie schlimm wäre es für die HU, nach 2017 nicht mehr Elite-Uni zu sein?

Wahrscheinlich wird es diese Förderlinie so nicht mehr geben. Die Exzellenz-Unis werden abgelöst durch ein Format, in dem auch die Kooperation mit mehreren Universitäten möglich ist. Ich gehe davon aus, dass sich die Humboldt-Universität in der Spitzengruppe behauptet. Ein Blick auf das Ranking der Deutschen Forschungsgemeinschaft zeigt, dass die Chancen dafür gut stehen. Ich finde es von Vorteil, dass künftig die Zusammenarbeit in der Region, der Berliner Universitäten miteinander und mit Universitäten aus Brandenburg gefördert wird. Von daher sehe ich dem Wettbewerb mit Spannung und Gelassenheit entgegen.

Eine Aberkennung des Elite-Titels würde dem HU-Prestige nicht schaden?

Die Exzellenz für die eigene Einrichtung ist natürlich wichtig. Für die HU ist es deshalb die Herausforderung, ihre exzellenten Forschungsfelder in eine neue Exzellenzinitiative zu lenken. Da bin ich aber optimistisch, wenn ich höre, wie weit die Vorbereitungen dazu gediehen sind.

61, ist Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur in Brandenburg. Ihr Amt an der HU tritt sie zum Sommersemester an. Von 2007 bis 2011 war Kunst Präsidentin der Universität Potsdam, von 2010 bis 2011 zudem Präsidentin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes. Im Jahr 2010 wurde Kunst als Hochschulmanagerin des Jahres ausgezeichnet.

Ein Ziel der Exzellenzinitiative ist es auch, das Profil deutscher Hochschulen zu schärfen. Für was steht Ihrer Meinung nach die HU?

Für ihre herausragende Rolle in den Altertumswissenschaften im Cluster „Bild Wissen Gestaltung“, aber auch in den Lebenswissenschaften in Zusammenarbeit mit der Charité. Dort muss sich der universitäre Teil noch genauer profilieren. Und dann noch für die Schnittstelle zur Technologieentwicklung im Bereich neue Materialien am Campus Adlershof.

Sie sind in Bauingenieurswesen und Politikwissenschaften promoviert. Welches Profil wollen Sie persönlich fördern?

Ich habe da keine persönliche Vorliebe, aber dank meiner Qualifikationen kann ich mich gut hineinversetzen in die Denkwelt naturwissenschaftlich-technischer wie auch geisteswissenschaftlicher Disziplinen. Ich sehe meine Aufgabe darin, die Erfolgschancen des einen und des anderen abzuwägen. Meine Erfahrungen als Unipräsidentin und Ministerin helfen mir zu entscheiden: Wie erfolgreich waren bestimmte Fächer in den letzten Jahren? Wie viele Großprojekte wurden kompetitiv eingeworben? Und wie gut wirkt das Fach zurück in die Universität?

Drittmitteleinnahmen führen oft zu prekären Anstellungsverhältnissen. An der HU ist nicht mal jede fünfte Wissenschaftlerin im Mittelbau unbefristet angestellt. Welche Perspektiven werden Sie dem Nachwuchs geben?

Ich kann gegenwärtig nur sagen, dass es für mich eine Herzensangelegenheit ist, ein Nachwuchskonzept für die Humboldt-Universität möglichst bald auf den Weg zu bringen. Was man für die nächsten Jahre ermöglichen kann, hängt aber auch davon ab, wie viel Geld wir einnehmen und wie viel Geld der Berliner Senat mittelfristig zur Verfügung stellt. Mir ist wichtig, dem wissenschaftlichen Nachwuchs eine verlässliche Aussage machen zu können.

Ein Großteil der befristeten Verträge bezahlen öffentliche Mittelgeber, Stiftungen sowie Wirtschaftsunternehmen. Wie abhängig sehen Sie die HU von Drittmitteln?

Wie überall ist die Abhängigkeit erheblich. Von daher ist es eine Frage moderner Governance und effizienter Verwaltung. Ich will versuchen, eine Art Kontinuum von Mitteln Dritter zu erreichen, um damit Stellen auch längerfristig zusagen zu können. Das geht.

Die Hochschulen sind chronisch unterfinanziert. Sie haben angekündigt, dem Berliner Senat eine „auskömmliche Grundfinanzierung“ abstreiten zu wollen. Was werden Sie fordern?

(lacht) Da müssen Sie mir schon die Chance der ersten 100 Tage geben, um konkreter in die Bilanzen einzusteigen. Bei der Finanzierung durch den Senat ist jedoch auffallend, dass die Berliner Universitäten bei gleicher Größe unterschiedlich viel bekommen. Wieso bekommt eine Uni erhebliche Summen mehr als eine andere? Das muss man erst analysieren und sich dann einen Plan machen, was realistisch ins Ziel zu bringen ist.

Gibt es Finanzierungsalternativen, falls sich Drittmitteleinnahmen nicht verstetigen lassen und der Senat nichts drauflegt?

Das wird sich erst zeigen. Generell muss man sich dann natürlich Gedanken machen, welche Struktur in der bestehenden Form erhalten werden kann und mit wie vielen Lehreinheiten man zu einer auskömmlichen Finanzierung kommt.

Die HU gilt als „unregierbar“. Ihr Vorgänger schmiss zwischenzeitlich hin, weil Studierendenvertreter im Senat eine Fakultätsreform blockierten. Wie gehen Sie in so einer Situation mit studentischem Protest um?

Ich glaube nicht, dass Herr Olbertz selbst von Unregierbarkeit gesprochen hat. Der Protest ist ein gutes Recht der Studierenden. Der Umgang ist immer dann sehr schwierig, wenn man seismografisch keine gute Rückmeldung hat aus der Universität. Aus so einer Erfahrung würde ich lernen wollen, den Gesprächsfaden zu halten. Vor allem vor großen Reformprojekten ist das wichtig.

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