Präsidentenwahlen in Afghanistan: Lange Schlangen, wenig Tote
Eine hohen Beteiligung und viel weniger Anschlägen als befürchtet, aber auch organisatorische Engpässe – das ist die erste Bilanz der afghanischen Wahl.
KABUL taz | Trotz Drohungen der Taliban sind am Samstag Millionen von wahlberechtigten Afghanen an die Urne gegangen, um einen neuen Präsidenten zu wählen. Die Wahlbeteiligung habe die Erwartungen übertroffen, sagte der Leiter der Unabhängigen Wahlkommission, Jusuf Nuristani. In den Großstädten Afghanistans verlief der Wahltag ohne größere Hindernisse. Schon in den frühen Morgenstunden bildeten sich lange Schlangen vor den Wahllokalen. Trotz des großen Andrangs lief der Wahlprozess ordentlich.
Die hohe Anteil der Frauen unter den Wählern war auffällig. Sima Samar, Chefin der afghanischen Menschenrechtskommission und alternative Nobelpreisträgerin, lobte den Einsatz der Frauen. „Heute haben die Frauen gezeigt, dass sie die Gestaltung ihrer eigenen Zukunft, trotz Herausforderungen, sehr ernst nehmen“, sagte sie. „Das zeigt der ganzen Welt, dass das afghanische Volk an Demokratie glaubt. Die internationale Gemeinschaft sollte deshalb weiterhin in das Land investieren.“
Bisher wurden am Wahltag zehn Tote gemeldet, die meisten von ihnen waren die Angreifer selbst. Diese Opferzahl wird im Land als „gering“ bezeichnet, da in den Wochen vor den Wahlen die Taliban ihre Angriffe intensiviert und für den Wahltag mit noch größeren Anschlägen gedroht hatte.
Doch diese blieben aus – vor allem, weil die afghanischen Sicherheitskräfte fast an jeder Kreuzung großer Städte Kontrollposten aufgestellt hatten und jedes Auto und viele Fußgänger kontrollierten. Auch an den Eingängen der Wahllokalen wurden die Wähler, Wahlbeobachter und Journalisten nach Waffen und Bomben abgetastet.
Erfolglose Angriffe auf Frauenwahllokale
In ländlichen Gebieten führte die afghanische Armee im Vorfeld der Wahlen gezielte Operationen gegen Aufständische aus. Zum relativ sicheren Ablauf trug vermutlich ebenfalls bei, dass die afghanischen Medien vor den Wahlen beschlossen hatten, eventuelle Angriffe nicht groß aufzuziehen, um die Wahlatmosphäre nicht zu beschädigen.
Vor allem in der Provinz Zabul versuchten die Taliban erfolglos Frauenwahllokale anzugreifen. Laut dem afghanischen Geheimdienstchef Ghulam Jilani Farahi, wurden bei einer Explosion in der Provinzhauptstadt Qalat, zwei Polizisten getötet. Ein anderer Angreifer wurde erschossen, noch bevor er einen anderen Frauenwahllokal erreichen konnte.
Im Osten der Provinz Ghazni griffen die Taliban mehrere Wahllokale an, die daraufhin geschlossen werden mussten. Im Rest der umkämpften Provinz gab es allerdings keine Vorfälle. In anderen Landesteilen, wie Paktia, Kandahar oder Helmand, die sonst oft Schauplatz von Talibanangriffen werden, ist die Wahl ohne Zwischenfälle abgelaufen.
Jusuf Nuristani, der Chef der Unabhängigen Wahlkommission erklärte, dass landesweit ungefähr 200 der insgesamt 6.423 Wahllokale nicht geöffnet werden konnten.
Die offensichtlich hohe Wahlbeteiligung und das erfolgreiche Sicherheitskonzept der afghanischen Sicherheitskräften wird als großer Erfolg gesehen. Ausländische Diplomaten unterstreichen, dass die hohe Wahlbeteiligung auch die Möglichkeit von Wahlfälschungen minimiere.
Fehlende Wahlzettel
Doch diese bleiben weiterhin das bisher größte Risiko. Denn kurz nach Mittag meldeten viele Wahlkreise, dass ihnen die Wahlzettel ausgegangen seien. Besonders in Herat im Westen des Landes und in Masar-e Scharif im Norden, aber auch im Zentrum der Hauptstadt Kabul, in Wazir Akbar Khan, reichten sie nicht aus. Neue Wahlzettel mussten mit Hubschraubern in die Provinze geliefert werden.
Die Ergebnisse der Wahl wird vor dem 24. April nicht erwartet. Denn die Stimmzettel aus entlegeneren Gegenden müssen noch in die Hauptstadt transportiert werden. Beobachter gehen davon aus, dass keines der Kandidaten im ersten Wahlgang 50 Prozent der Stimmen bekommen kann. Normalerweise müsste dann ein zweiter Wahlgang stattfinden, an dem die Wähler dazu aufgerufen werden, zwischen den beiden Kandidaten eine Wahl zu treffen, die die meisten Stimmen auf sich sammeln konnten.
Doch sowohl afghanische Experten, als auch westliche Diplomaten sind sich sicher, dass es eine zweite Wahlgang nicht stattfinden werde. „Nach dem ersten Wahlgang wird man schon wissen, wer wieviel Unterstützung hat. Danach können sich die verbliebenen Kandidaten einigen“, sagte ein Diplomat in Kabul. Die Kandidaten hätten bereits signalisiert, meinte er, dass sie „einem solchen Deal nicht abgeneigt“ seien.
Fast alle Kandidaten haben im Vorfeld der heutigen ersten Wahlgang ihre finanziellen Möglichkeiten voll ausgeschöpft. Auch das könnte sie dazu zwingen, auf einen weiteren Wahlgang zu verzichten.
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