Präsident des EU-Parlaments über „Duce“: Viel Positives
Antonio Tajani, der Präsident des EU-Parlaments, rühmt die Wohltaten Benito Mussolinis. Er stößt in Brüssel auf Kritik.
![EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani](https://taz.de/picture/3303973/14/22599424.jpeg)
Das jedenfalls meint Antonio Tajani, Präsident des Europäischen Parlaments aus den Reihen von Silvio Berlusconis Forza Italia, die genauso wie CDU und CSU zur christlich-konservativen EVP zählt.
Ein ganzer Strauß „positiver Dinge“ fiel Tajani ein, als er am Mittwoch in einem Radioprogramm des Staatssenders RAI interviewt wurde. „Ich bin kein Faschist“, schickte Tajani erst einmal voraus, man müsse mit Mussolinis Methoden ja auch keineswegs einverstanden sein, und „sein politisches Denken teile ich nicht“.
Dann aber geriet er ins Schwärmen, „schließlich muss man ehrlich sein“, „er hat Straßen, Brücken, Gebäude, Sportanlagen errichtet, er hat die Sümpfe in vielen Teilen Italiens trockengelegt, er hat das Institut für den industriellen Wiederaufbau (Italiens großen Industrie- und Banken-Staatskonzern) geschaffen“.
Einige unschöne Dinge
Gewiss, eine paar unschöne Dinge sind dem Duce nebenher auch noch unterlaufen, hat er doch „im Gefolge Hitlers der ganzen Welt den Krieg erklärt“, hat er doch auch die Rassegesetze verabschieden lassen.
Doch vor 1938 – dem Jahr der Rassegesetze gegen die Juden – fällt Tajani als einzige weitere Missetat nur „der dramatische Fall Matteotti“ ein. Im Jahr 1924, zwei Jahre nach dem „Marsch auf Rom“ hatte Mussolini höchstpersönlich seine faschistischen Schergen mit der Entführung und Ermordung des sozialistischen Politikers Giacomo Matteotti beauftragt.
Ein Ausrutscher, wenn man Tajani glauben darf. Dem EP-Präsidenten allerdings ist entgangen, dass der Weg der Faschisten an die Macht durch eine lange Spur der Gewalt und des Blutes gezeichnet war, dass hunderte Aktivisten der Arbeiterbewegung dem faschistischen Terror zum Opfer fielen. Und: Dass Sitze der linken Parteien und der Gewerkschaften quer durchs Land zerstört und gebrandschatzt wurden.
Von seinem Chef Sylvio Berlusconi muss er jedoch kaum einen Ordnungsruf erwarten. Schließlich war der selbst immer mal wieder durch die Verniedlichung des Faschismus aufgefallen – zum Beispiel als er behauptete, Mussolini habe seine politischen Gegner doch bloß in die „Sommerfrische“ geschickt, wenn er sie auf Inseln wie Ventotene verbannen ließ.
Absolut inakzeptabel
Die Äußerungen Tajanis lösten im Europaparlament einen Proteststurm aus. „Die Äußerungen sind eines Präsidenten des Europäischen Parlaments unwürdig und absolut inakzeptabel. Antonio Tajani muss die unsägliche Verharmlosung des Faschismus zurücknehmen oder als Präsident des Europäischen Parlaments zurücktreten“, sagte die Spitzenkandidatin der Grünen, Ska Keller.
Für einen Rücktritt sprach sich auch die Linke aus. „Ich bin absolut fassungslos über die wohlwollenden Äußerungen von Antonio Tajani über den italienischen Massenmörder Mussolini“, sagte Gabi Zimmer, Vorsitzende der Linksfraktion GUE/NGL. Der Faschismus dürfe niemals relativiert werden. „Deshalb fordern wir als Linksfraktion den sofortigen Rücktritt von Antonio Tajani als Präsident des Europäischen Parlaments.“
Der Chef der Sozialdemokraten, Udo Bullmann, verlangte eine Erklärung. „Unglaubliche Zitate von Tajani über Mussolini: Wie kann der Präsident des Europäischen Parlaments den Charakter des Faschismus so verleugnen?“, schrieb er am Mittwoch auf Twitter.
Tajani retournierte umgehend auf Bullmann. „Die, die meine Worte über den Faschismus für ihre Zwecke instrumentalisieren, sollen sich schämen!“, twitterte er voller Zorn. „Wenn jemand ein historisches Urteil fällt, muss er objektiv bleiben. Ganz „unparteiisch“ habe er, „seit je überzeugter Antifaschist“, sich schließlich geäußert. Und natürlich sei der Faschismus „das dunkelste Kapitel der italienischen Geschichte.“
„Nationalistischer Diskurs“
Der Mussolini-Skandal ist nicht die erste Entgleisung des Italieners. Erst im Februar hatte Tajani mit Äußerungen über slowenische und kroatische Gebiete an der Adria-Küste den Zorn dortiger Politiker auf sich gezogen. Er erweckte damals den Eindruck, diese Gebiete „heim ins Reich“ nach Italien holen zu wollen. Sozialdemokraten, Grüne und Linke im EU-Parlament warfen ihm daraufhin einen „nationalistischen Diskurs“ vor.
Tajani wurde vor zwei Jahren als Nachfolger von Martin Schulz (SPD) an die Spitze des Europaparlaments gewählt – mit Unterstützung der Abgeordneten von CDU und CSU. Den Ausschlag für seine Wahl gab Manfred Weber (CSU), der heute als Spitzenkandidat der konservativen Europäischen Volkspartei bei der Europawahl antritt. Weber und Tajani gelten als enge Vertraute. Sie ließen sich auch gemeinsam mit dem früheren italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi ablichten.
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