Potsdamer Platz in Berlin: Ein Unort wie im Film

Geschlossene Kinos, verrammelte Läden, leere Restaurants: Der Potsdamer Platz ist eine Einöde. Der Berlinale fehlt damit ein Zentrum.

Werbung für die Berlinale vor den Hochhäusern am Potsdamer Platz

Nur noch leblose Kulisse: der Potsdamer Platz in Berlin Foto: dpa

BERLIN taz | Die am Sonntag zu Ende gegangene Berlinale war für viele vor allem ein gesundheitspolitisches Experiment: Sind die Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen nach zwei Jahren Coronapandemie in der Lage, ein Filmfestival ohne Massenansteckungen vor und in den Kinos zu organisieren? Offenbar – so weit das bisher absehbar ist. Für viele andere war die Berlinale deswegen vor allem ein Filmfest, und zwar ein durchaus sehenswertes.

Diese 72. Filmfestspiele hatten aber noch eine weitere Besonderheit. Ihnen fehlte ein zentraler Ort, eine Art Heimat in der Stadt. Denn der Potsdamer Platz, wo das temporär zum Berlinale-Palast samt Roten Teppich umbenannte Theater steht, ist endgültig zu einem potemkinschen Dorf geworden.

Zwar sind die Abgesänge der Feuilletons auf diesen einst legendären Ort so alt wie die dort seit Ende der 1990er Jahre stehende Hochhausarchitektur. Aber erst in diesem Jahr bekamen Filmfans und -kritiker*innen zu spüren, welche Folgen eine Stadtplanung haben kann, die Kultur allein den privaten Bauinvestoren überlässt und den öffentlichen Raum noch dazu.

Eines der beiden Multiplexkinos am Platz, das Cinestar, ist seit geraumer Zeit geschlossen und mit ihm inzwischen ein guter Teil der umgebenden Gastronomie im Sony-Center. Nun sind wegen Komplettumbau auch die Türen der Potsdamer Platz Arkaden verrammelt, die in den letzten 20 Jahren ein – wenn auch gewöhnungsbedürftiger – Anlaufpunkt für Ki­no­be­su­che­r*in­nen geworden waren. Damit fehlen viele weitere Orte, wo mensch zumindest kurz vor oder nach dem Film sitzen, Kaffee trinken oder essen gehen konnte. So ist der Potsdamer Platz endgültig zu einem zugigen Unort geworden, ohne Anlaufstellen, ohne Anzugspunkte, ohne attraktives Umfeld. Bonjour Tristesse.

Das wird auch zu einem Problem für die Berlinale, deren Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen im Vorfeld gerade dieser Pandemieausgabe betonten, wie wichtig ihnen Präsenz ist. Dazu gehören sowohl die Kinos wie auch die anderen Orte des Austauschs, an denen im kalten Februar offiziell und informell geredet werden kann über das, was auf der Leinwand gezeigt wurde.

Lichtspielhäuser zu Zara-Läden

So manchem mag sich angesichts dieser Entwicklung ein Déjà-vu-Gefühl einstellen: Nachdem die Berlinale im Jahr 2000 ihre alte Heimat am Ku'damm verließ und an den Potsdamer Platz zog, begann in der City West das große Kinosterben. Viele traditionsreiche Lichtspielhäuser endeten als Filialen von Modeketten; als Kinostandort ist der Ku'damm nur mehr einer unter vielen.

Diese Vielfalt ist auch eine Chance für ein Publikumsfestival wie die Berlinale. Vielleicht wird sie sich in den nächsten Jahren noch weiter verteilen auf die kleineren und größeren Kinos der Stadt. Für den Potsdamer Platz hingegen wäre diese Streuung ein weiterer Schlag – aus dem wiederum Berlins Stadt­pla­ne­r*in­nen viel lernen können: Kulturorte braucht es überall, auch in den derzeit entstehenden neuen Quartieren, und wer Leben auf der Straße will, darf den öffentlichen Raum nicht privatisieren. Sonst wird er, wie gerade am Potsdamer Platz, irgendwann einfach abgeschlossen.

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