Posten-Poker in Bremerhaven: Seestadt streitet um Kapitän
Während die SPD in Bremerhaven Melf Grantz zum Kandidaten für die Nachfolge von Oberbürgermeister Jörg Schulz kürt, fürchten die Grünen eine "Pro Forma-Ausschreibung"
Melf Grantz wird neuer Oberbürgermeister von Bremerhaven. Das hat der Unterbezirksvorstand der SPD Bremerhaven gestern Abend beschlossen. Nach Redaktionsschluss, das genaue Stimmenverhältnis lag der taz bis dahin nicht vor. "Ganz sicher" sei er sich aber, dass man den derzeitigen Sozialstadtrat Grantz küren werde, verkündete der Unterbezirksvorsitzende Siegfried Breuer gestern.
Natürlich ist der SPD-Unterbezirksvorstand nicht das Gremium, das über die Nachfolge des scheidenden Oberbürgermeisters Jörg Schulz (SPD) entscheidet. Offiziell eingeleitet ist die Wahl auch noch nicht. Während die SPD bereits einen Kandidaten kürt, gibt es weder einen entsprechenden Magistratsbeschluss, noch die vorgeschriebene Ausschreibung. Und eben das stößt bei den Bremerhavener Grünen auf Kritik. Man fürchte, das Verfahren könne zur "Pro Forma-Ausschreibung" werden, erklärt ihr Fraktionsvorsitzender Ulf Eversberg. Die Grünen wollen eine Direktwahl des Oberbürgermeisters. Nur so sei eine Wahl "unabhängig von den Verknüpfungen der Kandidaten in der Stadt möglich". Aber: Dafür müsste die Stadtverfassung geändert werden - ein aussichtsloser Vorschlag in Zeiten der großen Koalition.
Ab Januar 2011 hat sich der bisherige Oberbürgermeister Schulz von seinem Amt beurlauben lassen - ein knappes halbes Jahr vor der Kommunalwahl. Kommt es davor in der Stadtverordnetenversammlung zur Wahl, ist der SPD-Mann Grantz ein sicherer Kandidat. Sechs Jahre würde seine Amtszeit dauern - egal wie die Stimmverhältnisse im Stadtparlament nach der Wahl aussehen. Momentan haben SPD und CDU dort die Mehrheit - und Grantz gilt auch für die Christdemokraten als tragbar. Sein Posten als hauptamtlicher Sozialdezernent würde dann ebenfalls neu besetzt. Das Vorschlagsrecht hätte die SPD.
Für die Grünen allerdings wäre das ein "Hemmnis", sagt Eversberg. Sie hoffen auf eine rot-grüne Koalition in der Seestadt nach der Kommunalwahl 2011. "An den Schaltstellen" - sprich in den fünf hauptamtlichen Dezernaten des Magistrats -, säßen dann aber SPD- und CDU-Mitglieder. Einzig die sechs ehrenamtlichen Magistratsposten sind an die Legislaturperiode gebunden und könnten im Falle einer Regierungsbeteiligung von Grünen besetzt werden. Ehrenamtliche aber fehle es im Magistrat an Einfluss, sagt Eversberg.
Zudem habe man juristische Bedenken gegen das von der SPD angestrebte Verfahren: Schulz ist bislang beurlaubt, nicht aber zurückgetreten. Die Wahl eines Nachfolgers ist deshalb aus Sicht der Grünen nicht notwendig. "Wenn jemand im Urlaub ist", sagt Eversberg, "braucht man keinen Ersatz zu wählen".
Für den SPD-Mann Breuer ist das "allgemeines Gemecker". Die Frage sei, worum es den Grünen tatsächlich gehe: Eine neutrale Ausschreibung oder die Chance auf eigene Posten im Magistrat. Dass man sich nun auf Formalia berufe, sei "aberwitzig". Die Grünen könnten selbst den "verfassungsmäßig vorgeschriebenen Weg" gehen und einen eigenen Kandidaten vorschlagen. Letztlich entscheide die Stadtverordnetenversammlung. Und zwar im Sinne von SPD und CDU.
Gleichwohl betont Breuer, dass einem künftig an Rot-Grün gelegen sei: "Es ist immer einfacher, in der Stadt die gleiche Koalition wie im Land zu haben". Auch Chancen auf Einfluss im Magistrat stellt er in Aussicht: Drei Amtszeiten hauptamtlicher Mitglieder laufen bis 2014 aus. "Man muss sich also keine Sorgen machen, man könne keinen Posten abbekommen", so Breuer.
Wie der SPD-Wunsch-Oberbürgermeister Melf Gratz zur Personaldebatte steht, war gestern indes nicht zu klären. Für die taz war Grantz bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!