Positionspapier der Linkspartei: Eine soziale „Agenda 2020“
Zum 10. Jahrestag der „Agenda 2010“ erneuert die Linke ihre Kritik an den Reformen. Und sie versucht, sich aus ihrer negativen SPD-Fixierung zu lösen.
BERLIN taz | Zum 10. Jahrestag der „Agenda 2010“-Rede von Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) am 14. März 2003 hat die Linkspartei ihre Kritik an dessen Reformen erneuert – aber den Ton verändert.
Das sechsseitige Papier, das die Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger sowie Fraktionschef Gregor Gysi am Mittwoch vorstellten, enthält sattsam bekannte Forderungen der Linkspartei, etwa nach einem Mindestlohn von 10 Euro, der Erhöhung von Hartz IV auf 500 Euro und der Abschaffung von Sanktionen. Außerdem möchte die Partei ein Frühwarnsystem einrichten für den Fall, dass die Reallöhne in vier Quartalen sinken – unter „Achtung der Tarifautonomie“, wie es heißt.
Daneben schlägt die Linkspartei vier „Bausteine“ vor, um die soziale Unwucht der „Agenda 2010“ bis 2020 zu korrigieren. Ziel ist, dass kein Vollzeitbeschäftigter mehr ein Bruttoeinkommen von unter 1.800 Euro erhält.
Zudem soll die sogenannte paritätische Finanzierung des Gesundheitssystems wieder hergestellt werden, die im Gefolge der Agenda 2010 faktisch abgeschafft wurde. Seitdem zahlen Arbeitnehmer mehr ein als Arbeitgeber: Die Linkspartei beziffert dieses Mehr auf insgesamt 120 Milliarden Euro seit 2004. Der Altersarmut will sie mit einer Mindestrente von 1.050 Euro und der Rückkehr zur Rente mit 65 begegnen.
Keine derbe Kritik mehr
Auffällig an dem Papier ist der eher nüchterne Tonfall. Man verzichtet auf die früher übliche, oft derbe Kritik Richtung SPD. Die Linkspartei scheint sich, ohne ihre Kernforderungen aufzugeben, damit flexibler zu positionieren. „Wir wollen, dass sich die Politik bis 2020 an messbaren Zielen orientiert, die mit einfach zu realisierenden Bausteinen erreichbar sind“, so die betont konstruktive Forderung.
An die Stelle von Ad-hoc-Parolen wie „Weg mit Hartz IV!“ skizziert die Linksparteiführung nun die längere Perspektive und das Prozesshafte des Umbaus der Sozialsysteme.
Auch der rechthaberische, verbissene Ton, den vor allem Exsozialdemokraten in der Linkspartei anschlugen, ist weitgehend verschwunden. Damit signalisiert die Linkspartei-Spitze zwischen den Zeilen, dass sie auch einen eigenen Fehler abstellen will – die negative Fixierung auf die SPD.
Nur Ex-Parteichef und Ex-SPDler Klaus Ernst polterte am Mittwoch per Interview im alten Stil: Die Agenda 2010 sei „ein Verbrechen“ gewesen.
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