Porträt der HipHop-Sängerin Ceren: Sie vergisst nie, woher sie kommt
Die junge Berliner Künstlerin Ceren mischt den HipHop auf. Rappt dreisprachig, macht alles selbst und landete einen Nummer-1-Hit im Duo mit Pashanim.
Im Frühjahr spielte der Berliner AbuGlitsch ein DJ-Set in London. Für besonderes Aufsehen sorgte dabei ein kurzer Ausschnitt, bei dem zwei Stimmen zu hören waren. Die eine war leicht zu lokalisieren. Es handelte sich um den Kreuzberger Upstart Pashanim, der die Entwicklung von deutschsprachigem Trap als Ruling Sound in den letzten Jahren maßgeblich bestimmt hat. Die zweite, weibliche Stimme war zunächst unbekannt.
Als kurz danach ein Clip des DJ-Sets auf Tiktok viral ging, bebte das Internet: Von wem stammt dieser Song? Wann wird er veröffentlicht? Und wie heißt die Sängerin? „Shabab(e)s im VIP“ – so der Songtitel – wurde schließlich im April veröffentlicht und hielt sich über vier Wochen an der Spitze der deutschen Single-Charts. Und das, obwohl er nicht einmal als Single erschien, sondern als Song auf Pashanims neuer EP „Grünewürfelflow“.
Und die weibliche Stimme gehört Yueksal Ceren, einer gerade 22-jährigen Sängerin aus Berlin, die als Künstlerin nur mit Nachnamen genannt wird. Dass Ceren auf diese Weise berühmt wurde, mag erst mal überraschen, zumal Pashanim in der Wahl seiner musikalischen Begleiter:innen äußerst wählerisch vorgeht. Aber wer Cerens Weg schon länger verfolgt, konnte ahnen, dass da etwas Großes kommen würde.
Von der Sonne geküsst
2021 veröffentlichte Ceren ihr Songdebüt „Kissed by the Sun“. Darin singt sie mit ihrer vollen, dunklen Stimme auf Englisch darüber, sich anders fühlen zu wollen als noch gestern. Im Hintergrund stiften Schlagzeug und Bass einen jazzigen Vibe. Man fühlt sich sofort an die britische Neo-Soul-Sängerin Joy Crookes erinnert. Das passt, denn wie Ceren erzählt hat, sang sie schon zu Schulzeiten in einer Jazzband. Schon im Jahr darauf probiert sie mit „Spacing Out“ etwas Neues.
Der Songtext ist abstrakter, mit melodischen und etwas creepy Klängen hinter der klaren Stimme denkt man beim Hören bisweilen an den Pop von Billie Eilish. In „Gold“ (2023) singt Ceren noch die Hook, fängt aber an, den Rest zu rappen – beides erstmals auf Deutsch. „Du weißt, ich vergesse nie / Gestern ich und heute sie / Versinke nun in Memories / Ein Stück Gold, das von uns blieb“.
Dazu sanfte Beats, Gitarre und eine verspielte Klaviermelodie, die hie und da aufblitzt. Es ist ein melancholisches Lied, das mit dem von Ceren und ihrer Schwester selbst gedrehten Video irgendwo an einem Strand Sehnsucht nach unbeschwertem Sommerfeeling auslöst. Erstmals erreicht sie damit über 200.000 Aufrufe bei einem Streamingdienst.
Formidabler Dancemix
Im Jahr darauf droppt Ceren „Dünya“ (auf Deutsch bedeutet das „Welt“ und wird als Kosename verwendet). Auf einen düsteren Beat rappt die Berliner Künstlerin auf Deutsch über Resignation und Trennungsschmerz und singt die Hook dazu hingebungsvoll wie aus der Ferne auf Türkisch. Der zweisprachige Songtext funktioniert verdammt gut. DJ Southstar machte aus dem Original zudem einen formidablen Dancemix.
Ähnlich funktioniert „Güneş/Sonne“, bei dem es um eine alte Liebe geht, Ceren rappt darüber aber auf einen Beat, bei dem man eigentlich sofort Lust bekommt, tanzen zu gehen. Der Beat stammt vom Produzenten penglord, das Video hat Pashanim beigesteuert. Spätestens im September 2024 haben also Stars der jungen deutschen Musikszene mit der Berlinerin zusammengearbeitet.
Noch vor ihrem Durchbruch singt Ceren dreisprachig, findet in der Vielfalt verschiedenster Musikgenres ihren eigenen Sound, dreht selbstständig Videos und kollaboriert mit bekannten Namen. Sie spielt in einem Kurzfilm der Künstlerin Cemile Sahin mit. Trotzdem bleibt sie bodenständig. Das Management übernimmt ihre Schwester Ceyda, die auch als DJ Abla auftritt und bei Cerens Konzerten am Mischpult steht.
Mit Joints in der Hand
Die taz hätte gerne von ihr erfahren, wer sie musikalisch inspiriert hat und wie der Ruhm seit „Shabab(es) im VIP“ ihr Leben verändert hat. Eine Gesprächsanfrage blieb jedoch unbeantwortet. Anderen Medien erging es ähnlich. Im Moment scheint sich Ceren jedenfalls im Deutschrap zu verorten.
Das Video zu ihrem neuen Song „Synergie“ besteht aus kurzen Schnipseln, die Ceren und ihre Girls mit Joints in der Hand, in schnellen Autos und Designerkleidung zeigen. Dazu sassy Reime, lässiger Flow und Sommerhit-Alarm. Manche Internet-User feiern sie schon als weibliche Antwort auf Pashanim. Aber treue Fans wissen, dass Ceren noch weit mehr zu bieten hat.
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