Porträt Jörg Asmussen: Ein neoliberaler Genosse
Jörg Asmussen soll neuer Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank werden. Er war maßgeblich daran beteiligt, Regeln für die Finanzmärkte abzubauen.
BERLIN taz | Man kann über Jörg Asmussen denken, was man will – einen Vorteil hat er: Wenn es nicht gerade Bindfäden regnet, kommt der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium morgens mit dem Fahrrad zur Arbeit.
Auch zu Terminen im Reichstag nimmt er seit Jahren sein Rad – auf einen schweren Dienstwagen als Statussymbol verzichtet er. Weil es gesund, besser fürs Klima und billiger ist, wie der 44-Jährige sagt, den Minister Wolfgang Schäuble nun als neuen Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank vorgeschlagen hat.
Asmussens Arbeit dagegen bringt viele Linke in Rage. Besonders als Persönlicher Referent des damaligen SPD-Ressortchefs Hans Eichel 1999 bis 2002 war er maßgeblich daran beteiligt, Regeln für die Finanzmärkte abzubauen. Der studierte Volks- und Betriebswirt trieb die Zulassung von Hedgefonds und neuen "Finanzprodukten" voran.
Auch im Vertrag der großen Koalition fand sich Asmussens Handschrift, wenn etwa "überflüssige Regulierungen" abgebaut oder ein "Ausbau des Verbriefungsmarktes" angestrebt werden sollte. All das trug zur Finanzkrise bei, die eine gigantische Umverteilung von unten nach oben zur Folge hatte.
Als die Bank IKB sich bei riskanten Immobiliengeschäften verspekulierte, saß Asmussen im Aufsichtsrat des staatlichen Eigentümers, der Förderbank KfW. Kritiker warfen ihm vor, von den Transaktionen gewusst, sie aber nicht verhindert zu haben. Schließlich musste der Bund die IKB mit Steuergeld in Milliardenhöhe retten.
Asmussens finanzpolitische Vorstellungen entsprechen einfach nicht dem, was sich viele Wähler seiner Partei, der SPD, wünschen. Das ist einer der Gründe, weshalb der gebürtige Flensburger auch unter dem CDU-Minister Schäuble Staatssekretär blieb – und nun weiter Karriere macht.
Leser*innenkommentare
Ruslan
Gast
Dass ganz Europa eine Luftpumpe wie Asmussen wünscht, ist eine vorweggenommene Kapitulation der Politik in der Eurokrise. In der Menge der unfähigen Selbstdarsteller in der europäischen Entscheiderszene (Martin Schulz, Oettinger, Stoiber)bildet A. die alles überragende Spitze im Zirkus der Büttel und Mitläufer. Wenn also alle den wollen, dann wohl nur als Nachlassverwalter des € . Dass dies die Börsen bereits einpreisen, wundert nicht!
Bernd
Gast
@ Ullrich F.J. Mies
Hihi, Sie sind ja ein Spaßbold, ein Kobold, könnte man sagen. Entweder haben Sie meinen Beitrag nicht gelesen oder nicht verstanden (das vermute ich), denn Sie bestätigen doch 1 zu 1 meine These von der dauernden falschen Verwendung des Begriffes "neo-liberal" - also vielen Dank dafür, dass Sie meinen Hinweis jetzt auch noch mit Ihrem inkompetenten Beitrag so deutlich unterstützt haben. Finde ich süß!
Dr. rer. Nat. Harald Wenk
Gast
Also ein "ROT-GRÜN" lackierter CDUler, nicht wahr, von Anfang an.
Und wie schön der "offen brutal" dann ganz im Sinn der Finanzindustrie agierte und die KfW mit zerlegen liess und den Finanzmarkt derreguleirte.
Kurz: Einer der "Brandstifter als Feuerwehr", wie Frau Wagenknecht es zu charakterisieren pflegt.
Carlos
Gast
Reichstag?
pixu
Gast
"Jörg Asmussen soll neuer Chef der Europäischen Zentralbank werden."
Klar, er wird gleich Chef und nicht Chefvolkswirt. "Chef" hört sich auch besser an.
[Er wird "nur" Chefvolkswirt, das ist richtig. Wir haben es korrigiert. Danke für den Hinweis. Die Red./wlf]
Ullrich F.J. Mies
Gast
"Bernd" weiss ja richtig Bescheid.
Doch hat Bernd schon einmal ein Buch zum Neoliberalismus, der neoliberalen Ideologie und ihren Akteuren, den neoliberalen Umwälzungen der letzten 30 Jahre und der Macht "entfesselter Finanzmärkte" gelesen?
Selbstverständlich ist Asmussen ein klassischer Neoliberaler, wie sein früherer Chef Steinbrück, die ganze Schrödermannschaft sowie die letzte und die aktuelle Regierung. Die "heilige Dreifaltigkeit" der Neoliberalen: Deregulierung, Liberalisierung und Privatisierung waren neben Steuersenkungen, Sozialabbau und systematischer Reichtumsumverteilung deren Hauptanliegen. Und deren Hauptanliegen sind unsere heutigen Probleme.
Von politökonomischen Zusammenhängen scheint "Bernd" nichts zu wissen.
Die kritische Literatur zum Neoliberalismus füllt ganze Regale.
ibasid
Gast
Nachtrag zum Kommentar von 19.25 - 11.09.2011
Die Überschrift des Artikels lautet
Portrait Jörg Asmussen
Es wird vermittelt, dass es aufklärt,
aber scheint nur die halbe Wahrheit zu sein.
Teilportrait Jörg Asmussen
wäre richtig! Dann hätte man noch dazuschreiben können: "Den Rest googlen Sie bitte selbst."
Vielleicht können sie (TAZ) noch ein vollständigeres Portrait von Herrn Asmussen nachreichen.
Dafür wäre ich ihnen sehr dankbar.
Bernd
Gast
Was soll der Informationsgehalt dieses Artikel sein? Also eigentlich sagt er nur eins aus: Der Autot hat nicht die leiseste Ahnung von Wirtschaft, denn Asmussen ist, wenn überhaupt, "manchester-liberal", unter "neoliberal" versteht man einen mitfühlenden Liberalismus, durch die endlose falsche Verwendung des Wortes wird das nicht richtiger, den Begriff "neoliberal" auf ungezügelte Finanzmärkte anzuwenden. Wobei es in Europa und den USA, wenn überhaupt, überregulierte Finazmärkte gibt - und dieses deutliche Zuviel an Regulierung hat erst dazu geführt, dass Institute gerettet wurden - denn der Staat wollte ja unbedingt überall mitmischen. Und wenn man dann einen wie Asmussen, der vom operativen Bankgeschäft null Ahnung hat (muss er ja auch nicht haben, er ist ein Behördenmensch, kein Banker) in den Aufsichts- bzw. Verwaltungsrat einer Bank schicktm sieht man ja, wozu das führen kann.
ibasid
Gast
Ob Sie nun selbst draufgekommen sind, oder meinem und anderen Hinweisen gefolgt sind, etwas kritscher über Herrn Asmussen zu berichten, so ist dieser Artikel mehr als halbherzig.
http://taz.de/EU-Schuldenkrise/Kommentare/!c77865/
Was ist mit der Mitwirkung Herr Asmussens bei der
True Sale International GmbH (TSI), die die ASB-Produkte (mit-)entwickelte und offensichtlich
einen nennenswerten Anteil an der Krise in D hatte?
Kein Wort, oder sind die mir zur Verfügung stehenden Informationen falsch.
In meinem Kommentar zu ihrem TAZ-Artikel zu Steinbrück bat ich um journalistische Sorgfalt.
Na dann gut' Nacht.