Populismus unter CSU-Politikern: Knallharte Machtpolitik
Der Europaparlamentarier Manfred Weber redet nicht nur wie die Rechten, sondern arbeitet auch eng mit ihnen zusammen.
Man stelle sich vor, ein AfD-Politiker hätte diesen Satz gesagt: „2018 ist das zentrale europäische Thema die finale Lösung der Flüchtlingsfrage.“ Was da los wäre! Der Mann (oder die Frau) würde an den Pranger gestellt, die AfD wäre als Nazi-Partei entlarvt. Und niemand würde seine (ihre) Entschuldigungen ernst nehmen.
Doch bei Manfred Weber ist alles anders. Ein einziger Tweet des CSU-Manns genügte, um die „Irritationen“ (die Nachrichtenagentur dpa) über seine unsägliche Äußerung auszuräumen. „In aller Klarheit: Die absichtliche Missinterpretation meiner Aussage hier ist völliger Unsinn und nicht im geringsten von mir beabsichtigt.“ Das zwitscherte Weber am Samstagmorgen in die Welt.
Seither herrscht Ruhe. Niemand echauffiert sich über den Nazi-Jargon, alle nehmen die Klarstellung an. Dabei hat der unscheinbare Mann, der CSU-Chef Horst Seehofer oder EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker beerben könnte, gar nichts klar gestellt. Dass die „Missinterpretation“ seiner Worte „nicht beabsichtigt“ war, versteht sich von selbst.
Nicht von selbst versteht sich hingegen, wie man bei klarem Verstand in diesen trüben Jargon verfallen kann. Noch weniger versteht sich, wie man das in Gegenwart von Viktor Orbán sagen kann. Der ungarische Regierungschef gehört zu jenen, die die europäische Lösung der „Flüchtlingsfrage“ hintertreiben. Doch ausgerechnet zu ihm pflegt Weber engen Kontakt.
Weber kooperiert mit Orbáns Fidesz-Partei
Klar, der CSU-Mann, der im Europaparlament die größte Fraktion führt, die von Abgeordneten der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) gebildet wird, hat sich auch schon mit Orbán angelegt. Im vergangenen Jahr hat er sogar dessen umstrittenes Hochschulgesetz (die Lex Soros) attackiert. Doch im EU-Parlament arbeitet er weiter eng mit Orbáns Fidesz-Partei zusammen.
In Brüssel haben sich Webers konservative Truppen – CDU und CSU eingeschlossen – mit Europas führenden Populisten verbündet. Die Fidesz-Leute sichern der EVP-Fraktion im EU-Parlament schon mal die Mehrheit.
Das ist der eigentliche Skandal, den man Weber vorhalten müsste. Der CSU-Politiker gibt sich bieder und bescheiden – doch er betreibt eine knallharte Machtpolitik, die ihn in eine neue Groko oder noch weiter führen soll.
„Wir werden den Kampfanzug anziehen und gegen Populisten und Antieuropäer in die Schlacht ziehen“, hat Weber einst versprochen. Nun redet er nicht nur wie die Rechten, sondern arbeitet eng mit ihnen zusammen. Warum regt sich darüber niemand auf?
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