piwik no script img

Polnischer Skisportler im KZ AuschwitzDer traurige Tod des Bronislaw Czech

Czech starb kurz vor der Befreiung des KZ Auschwitz. Sein Schicksal verweist auf die Bedeutung, die der Sport für den Widerstand in Polen hatte.

In Auschwitz gehörte Czech zu den ersten Gefangenen, seine Häftlingsnummer war die 349. Bild: ap

Als vor 70 Jahren, am 27. Januar 1945, die Rote Armee Auschwitz erreichte, konnte sie Bronislaw Czech nicht mehr befreien. Der Mann, der 1928, 1932 und 1936 für Polen bei Olympischen Spielen startete, war im Juni 1944 in einem Lazarett gestorben.

Czech ist einer von vielen Sportlern, die in Auschwitz und anderen deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagern umgekommen sind. Czech, geboren 1908 in Zakopane, war ein vielseitiger Sportler. Seine Domäne waren Skilanglauf und Skisprung, aber 1929 wurde er auch inoffizieller Abfahrtsweltmeister. „Wegen seiner eleganten dunkelblauen Kleidung mit dem weißen Kragen“, schreibt der Sporthistoriker Tomasz Jurek, „erhielt Bronislaw den Beinamen Gentleman-Sportler“. Czech leitete die Skischule auf dem Kasprowy Wierch, einem Berg der westlichen Hohen Tatra, und schrieb das Lehrbuch „Skilauf- und Skisprungstil“ (1934).

In Auschwitz gehörte Czech zu den ersten Gefangenen, seine Häftlingsnummer war die 349. „Es bleibt offen, warum Bronislaw Czech verhaftet und ins Konzentrationslager deportiert wurde“, notiert der Historiker Jurek. Hinweise darauf, dass die Nazis wussten, dass Czech im polnischen Widerstand aktiv war, gibt es nicht. Dabei war er für die polnische Heimatarmee als sogenannter Tatra-Kurier tätig und führte Flüchtlinge nahe dem Grenzort Muszyna über die Grenze in die Tschechoslowakei.

Ein Freund, der Bildhauer Xawery Dunikowski, der auch in Auschwitz inhaftiert war, schrieb: „Vor unserer Baracke spielten einige Zigeuner verschiedene Musikstücke. Als sie erfuhren, dass Bronislaw tot ist, hörten sie auf und spielten den Trauermarsch von Chopin.“

Alpinisten dienten als Kuriere

Bronislaw Czech war kein Einzelfall. Sein Schicksal verweist auf die Bedeutung, die der Sport, die viele Athleten für den Widerstand in Polen hatten. Gerade Skisportler und Alpinisten dienten oft als Kuriere, verhalfen Menschen zur Flucht, organisierten und versorgten Quartiere in abgelegenen Weilern. Was Czechs Schicksal von dem anderer KZ-Häftlinge unterscheidet: Er war in Auschwitz 1, dem sogenannten Stammlager, aus dem Konzerne wie die IG Farben Zwangsarbeiter rekrutierten. Wer in Auschwitz 2, dem Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, inhaftiert war, für den hatten die Nazis den Tod vorgesehen.

Wikipedia listet derzeit nur sechs Namen in der Rubrik „Sportler in Auschwitz“ auf: außer Czech noch die niederländische Turnerin Estella Agsteribbe, den griechischen Boxer Salamo Arouch, den Polen und späteren US-Boxer Harry Haft, den französischen Tischtennisspieler Aloizy Ehrlich und den deutschen Fußballnationalspieler Julius Hirsch.

Das zeigt, wie wenig sich die sporthistorische Forschung bislang mit dem Thema Sportler und NS-Verfolgung beschäftigt hat. Nicht in der Liste steht der frühere Boxweltmeister Victor „Young“ Perez: 1931/32 war der tunesische Jude Titelträger im Fliegengewicht, 1943 deportierten ihn die Nazis nach Auschwitz, im Januar 1945 wurde er auf dem sogenannten Todesmarsch erschossen.

In Auschwitz stand ein Barren

Viel weiß man bislang nicht über Sportler in Auschwitz und den anderen Todesfabriken. Teils wurde, wie in Theresienstadt, sogar eine eigene Fußballliga ausgetragen, in Dachau wurde um einen Pokal gespielt, in Auschwitz stand ein Barren. Eine erste Recherche über Boxen in KZs förderte allein zwölf Namen von Männern zutage, die zum Amüsement der Wachen boxen mussten – oft bis zum Tod ihres Gegners.

Man weiß sicher, dass es mehr Menschen waren, aber für die meisten gilt, was der Freiburger Historiker Diethelm Blecking über die KZ-Gedenkstätte Neuengamme bei Hamburg berichtet: „Es sollen auch Boxer mit olympischen Erfolgen und nationalen Meistertiteln in Neuengamme gewesen sein, etwa ein farbiger Schwergewichtler aus Frankreich, dessen Name allerdings bisher nicht bekannt ist.“

Die meisten ermordeten Athleten sind vergessen, das Thema „Sport und Auschwitz“ galt lange als unseriöses Exotenthema der Geschichtswissenschaft, zumindest in Deutschland. Czechs Schicksal ist dagegen bekannt, und die Erinnerung an ihn wird in Polen gepflegt.

Auf dem Friedhof von Zakopane erinnert ein symbolisches Grab an den Sportler und Widerstandskämpfer. Auch viele polnische Straßen, Schulen, die Akademie für Körpererziehung in Krakau, ja, auch ein Schiff ist nach Bronislaw Czech benannt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Sehr geehrter Herr Krauss,

    vielen Dank, dass Sie mit ihrem Artikel an Bronislaw Czech und andere verfolgte Sportler erinnern. Ihr Fazit, man wisse bislang nicht viel "über Sportler in Auschwitz und anderen Todesfabriken", kann ich nicht teilen, auch nicht Diethelm Bleckings Meinung über den Forschungsstand in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme zu den im KZ Neuengamme inhaftierten Sportlern. Schon 2003 habe ich über Boxen und Fußball im KZ Neuengamme geschrieben, eine Vielzahl von Publikationen widmet sich dem im KZ Neuengamme ermordeten Boxer Johann "Rukelie" Trollmann und auch über den in Auschwitz und Neuengamme inhaftierten polnische Boxer Tadeusz "Teddy" Pietrzykowski liegen seit Jahren Veröffentlichungen vor. Sport und Sportler im Konzentrationslager mag vielleicht ein "Exotenthema" sein, aber es ist weder unseriös gewesen noch jetzt besonders neu, auch wenn die Doktoarbeit von Veronika Springmann demnächst einen Meilenstein bei der Aufbereitung dieses Thema setzen wird.

    Mit freundlichen Grüßen

  • Die taz hat`s ja nicht so mit dem Motorsport. Trotzdem (oder gerade deshalb) möchte ich zwei Rennfahrer erwähnen:

    William Grover-Williams (Sieger GP Monaco 1929), hingerichet am 18.3.45 im KZ Sachsenhausen.

    Robert Benoist (Sieger 24h Le Mans 1937), hingerichtet am 11.9.44 im KZ Buchenwald.

     

    Beide waren im Krieg Mitglieder des britischen Nachrichtendiestes SOE und unterstützten als solche die französische Résistance.

  • Danke für diesen interssanten, informativen und (mich) berührenden Beitrag.

    Und bzgl. "die Erinnerung an ihn wird in Polen gepflegt" - den GöttInnen, Marek Edelman & Genossen sei Dank! Denn wenn ich da zB an Österreich denke...