Polizisten demonstrieren in Spanien: Gemeinsam für Repression

Rechte Polizeigewerkschaften und Parteien machen gegen eine Reform des „Knebelgesetzes“ mobil. Das Gesetz greift stark in die Meinungsfreiheit ein.

Demonstranten mit Transparenten und Fahnen

Die Demo führte auch am spanischen Parlament vorbei Foto: ap/Paul White

MADRID taz | Zehntausende Polizisten gingen am Samstagmittag in Madrid auf die Straße. Der Anlass: Die Linkskoalition aus Sozialisten PSOE) und den Linksalternativen von Unidas Podemos (UP) unter Ministerpräsident Pedro Sánchez wollen zusammen mit der konservativen Baskischen Nationalistischen Partei (PNV) das Gesetz für Bürgersicherheit reformieren. Das 2015 von der damaligen Regierung der rechten Partido Popular (PP) unter Mariano Rajoy eingeführte Gesetz, das im Volksmund „Knebelgesetz“ genannt wird, schränkt unter anderem die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit stark ein.

„Die Reform ist ein Gesetz des Hasses auf die Polizei“, erklärt Miguel Gómez, Sprecher der größten Polizeigewerkschaft Jusapol, auf deren Initiative die Demonstration zurückgeht. 40 Gewerkschaften aus den Reihen der paramilitärischen Guardia Civil, der spanischen Nationalpolizei, der baskischen Ertzaintza sowie verschiedener Gemeindepolizeien riefen gemeinsam mit Jusapol zum Marsch „Nein zu einem unsicheren Spanien“ bis vor das Innenministerium in Madrid auf. Politiker der konservativen PP, der rechtsliberalen Ciudadanos sowie der rechtsextremen VOX schlossen sich an. Die Regierung sprach von 20.000 Teilnehmern, die Veranstalter von 150.000.

Die Teilnehmer forderten den Rücktritt von Innenminster Fernando Grande-Marlaska. Was sie an der Gesetzesreform am meisten stört, ist, dass es künftig wieder erlaubt sein soll, Polizisten bei der Arbeit zu filmen und zu fotografieren. Das wurde ab 2015 mit einem Bußgeld von bis zu mehreren Tausend Euro belegt. Filmen und Fotografieren sorge für „Unsicherheit“. Die Beamten und deren Familien könnten identifiziert werden und Repressalien erleiden, werfen die Polizeigewerkschaften der Regierung vor.

Außerdem dürfen künftig Menschen, die sich nicht ausweisen, maximal zwei statt bisher sechs Stunden festgehalten werden. Die Polizei muss sie anschließend wieder dort absetzen, wo sie mitgenommen wurden. „Wir sind doch kein Taxi“, beschweren sich die Polizeigewerkschaften.

Die Reform hält fest, dass die Polizei Mittel einsetzen muss, die so wenig wie möglich verletzend sind. Sie würden „unbewaffnet in den Krieg geschickt“, heißt es von Seiten der Gewerkschaften.

Spontaner Protest wieder möglich

Wurde 2015 – inmitten der Eurokrise – der Aufruf zu nicht angemeldeten Demonstrationen unter hohe Geldstrafen gestellt, darf künftig wieder spontan protestiert werden, solange alles friedlich bleibt. Dies sei „eine Zeitbombe“ beschweren sich die Polizeigewerkschaften. Die Einsatzkräfte könnten sich nicht genügend auf ihre Einsätze vorbereiten.

Zudem beschweren sich die Gewerkschaften über „Rechtsunsicherheit“. Der Grund: Die sogenannte „Wahrheitsvermutung“ für Polizisten gilt künftig nicht mehr per se sondern nur noch dann, wenn die Aussagen „logisch“ klingen. Dieser Tage wird gegen vier Journalisten ermittelt. Der eine wurde zusammengeknüppelt, die anderen drei bezeugten dies vor Gericht. Trotz Fotos und Videos wird ihnen Falschaussage vorgeworfen, aufgrund von Behauptungen seitens der Polizei.

Und zu guter Letzt passt das neue Gesetz die Bußgelder an das Einkommen der Bestraften an. „Es können Mafias entstehen, die als Speerspitze Leute ohne Einkommen benutzen, die auf den Demonstrationen Straftaten verüben und mit einem minimalen Bußgeld davonkommen“, erklärt der Sprecher der Gewerkschaft Jupol, Pablo Pérez.

„Wir sind hier, gegen ein von der Regierung zusammen mit den Feinden Spaniens verabschiedetes Gesetz. Wir gehen zusammen mit denen auf die Straße, die Spanien so dienen, wie sonst niemand“, erklärte VOX-Chef Santiago Absacal. „Es sind die besten, professionellsten, beliebtesten und modernsten Polizisten weltweit“, schwärmt die Madrider Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso (PP). Und Ciudadanos-Vorsitzende Inés Arrimadas beteuert „mehr auf Seiten der Polizei als auf der Seite der Verbrecher“ zu stehen. Die Regierung hingegen würde die Sicherheitskräfte „kriminalisieren“.

Am 14. Dezember, wenn das spanische Parlament die Sitzungen zur Reform des „Knebelgesetzes“ aufnimmt, wollen die Polizisten vor dem Parlamentsgebäude demonstrieren.

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