Polizeiskandal in Cottbus: Und wieder ein Einzelfall
Vor ihrem Einsatz in der Lausitz: Brandenburger Polizisten solidarisieren sich mit rechtsextremen Gegnern der Anti-Kohle-Proteste.
Neun Polizisten in schwarzer Einsatzkleidung posieren in halber Hocke vor einer langen Wand einer Gärtnerei in Cottbus. Auf ihr ein Graffiti: „Stoppt Ende Gelände! 29.11.-01.12.2019“. Links daneben ein Krebs – der Krebs, der auch als das Markenzeichen der rechtsextremen „Defend Cottbus“ gilt. Die abgebildeten Polizisten sollten am Wochenende eigentlich an dem Großeinsatz zu den Demonstrationen von Ende Gelände in der Lausitz teilnehmen.
Seit Donnerstag kursiert besagtes Foto im Netz. Am Freitagmorgen zieht die Polizei Brandenburg erste Konsequenzen. Die abgebildeten Polizisten wurden wegen „Verstoßes gegen das Neutralitätsgebot“ vom Einsatz am Wochenende ausgeschlossen. Das Graffiti wurde inzwischen entfernt.
Eine Suspendierung der Beamten ist bisher nicht in Sicht. Dafür ermittelt die interne Revision zur Motivation der Poser. Auch die Einstellung zu dem Krebs-Symbol wird hinterfragt werden, schließlich sei man auf diesem Auge nicht blind, sagte ein Sprecher der Polizei Brandenburg der taz. Doch ist der Blick auch geweitet genug?
Zu befürchten bleibt, dass der Fall wieder im Rahmen des Einzelfall-Narrativs abgehandelt wird. Sicher ist, dass die Polizei ein strukturelles Problem mit Rechtsextremismus in den eigenen Reihen hat. Das zeigen allein die Nachrichten dieser Woche deutlich:
Eine schlechte Woche für die Polizei
Dienstag: Eine „Unabhängige Kommission“ stellt in Schwerin ein Gutachten vor, laut dem eine Gruppe von rechtsextremem Polizisten im Spezialeinsatzkommando Mecklenburg-Vorpommern aktiv war. Deren Führungsfigur Marko G. hatte das Chat-Netzwerk „Nordkreuz“ gegründet, über welches mutmaßlich Waffen und Munition aus deutschen Behörden entwendet und zur Vorbereitung auf „Tag X“ gehortet wurden. „Nordkreuz“ ist nur ein Teil des bundesweiten „Hannibal“-Netzwerks, welches staatsgefährdende Gewalttaten, rechte Terroranschläge, vorbereitet hatte.
Mittwoch: Die Herbsttagung des Bundeskriminalamtes (BKA) setzt in diesem Jahr ihren Schwerpunkt auf Rechtsextremismus. Der BKA-Chef Holger Münch fordert in einer Rede: „Wir alle sind zu entschiedener Gegenwehr aufgerufen.“ Die Polizei müsse bei Rechtsextremen intensiver ermitteln und künftig mehr Strukturen aufklären, sagt Münch – und bezieht sich dabei explizit auf das rechte „Hannibal“-Netzwerk.
Donnerstag: Der Prozess um Marko G. wird fortgeführt. Am selben Tag wird in Rostock ein hochrangiger Polizist festgenommen, bei dem gehortete Dienstwaffen gefunden wurden, darunter „Sachen, die unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen“, so die Staatsanwaltschaft Rostock.
Das „Hannibal“-Netzwerk ist nur einer der Schauplätze von rechten Strukturen in der Polizei. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass das nun diskutierte Foto in einer rechtsextremen Telegram-Gruppe aufgetaucht sein soll, ließen sich Ermittlungen in größeren Strukturen erwarten oder doch zumindest eine breitere und klarere Positionierung. Vergebens.
Nichts Neues auf Facebook
Die Polizei Brandenburg hat nach eigenen Angaben über den Twitter Account von „Ende Gelände“ von dem Bild erfahren. Auf Twitter hat sie dann auch ihr Statement veröffentlicht: „Wir haben unser Statement sofort auf unseren Kanälen verbreitet“, sagt der Pressesprecher der taz.
Jene 55.000 Menschen, die die Polizei Brandenburg bei Facebook liken, bekommen allerdings nichts von dem Fall mit. Die Begründung: Das Statement werde nur dort – eben auf Twitter – verbreitet, wo die Diskussion stattfinde. Dass Facebook-Nutzer:innen Artikel zu dem Skandal in den Kommentarspalten zu anderen Posts der Brandenburger Polizei verlinken, scheint nicht zu interessieren.
Während vor Ort nach Polizeiangaben sechs Tatverdächtige schnell gestellt worden seien, bleiben die internen Untersuchungen bisher an der Oberfläche. „Entschiedene Gegenwehr“ sieht anders aus.
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