Polizeigewalt in Berlin: Polizist wegen Ohrfeigen verurteilt
Das Amtsgericht Tiergarten hat einen Berliner Polizisten zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Er hatte gefesselten Menschen ins Gesicht geschlagen.

Der Angeklagte hatte zuvor die Übergriffe gestanden. Demnach hat er zunächst im April 2024 einen polnischen Obdachlosen im Anzeigenaufnahmeraum auf der Polizeiwache in der Brunnenstraße in Mitte mit der rechten flachen Hand ins Gesicht geschlagen. Die Hände des Betroffenen waren in Handschellen hinter dessen Rücken fixiert.
Der Mann sei „verhaltensauffällig und alkoholisiert“ sowie „der Polizei nicht wohlgesonnen“ gewesen, sagte der Angeklagte am Dienstag vor Gericht. Er habe nicht aufgehört herumzubrüllen. „Ich habe ihn geschlagen, damit er seinen Aufstand unterbindet“, so der Polizist.
Zweiter Vorfall nur wenig später
Nur wenige Wochen später kam es zu einem ähnlichen Vorfall in einer Bahnhofsbäckerei am Hackeschen Markt in Mitte. Auch hier hat der Angeklagte laut eigener Aussage einen schon gefesselten Mann geohrfeigt.
Der Betroffene habe versucht, sich einer Personenkontrolle wegen eines mutmaßlichen Drogendelikts zu entziehen, erklärte der Polizist. Auch nachdem er und sein Kollege den Mann in Handschellen gelegt hatten, habe dieser sich nicht beruhigt.
Der Festgenommene habe nach einem Glas Wasser verlangt, das der Polizist ihm verweigert habe. Als er festgestellt habe, dass er „mit verbalen Maßnahmen“ nicht weiterkomme, habe er den Mann ins Gesicht geschlagen, gestand der Angeklagte.
Seine Kollegen hätten ihn an der Weste gepackt und ihn zurückgezogen. „Mir ist sofort klargeworden, dass ich durch diese impulsive Handlung eine Grenze überschritten habe“, erklärte der Polizist. Er habe sich bei dem gefesselten Mann entschuldigt.
„Gangster in Uniform“
„Sie haben sich verhalten wie ein Gangster in Uniform“, warf der Berufsrichter aus dem dreiköpfigen Schöffengericht dem Angeklagten vor. Die Taten seien von einer gewissen Brutalität gekennzeichnet, so der Richter. Die äußeren Umstände hingegen klängen für ihn wie Polizeialltag. Es sei nicht erklärlich, warum der Polizist angesichts dieser „Stammkundschaft“ die Beherrschung verloren habe.
Nach den Aussagen des Angeklagten und von Zeug*innen seien die Fälle von Körperverletzung im Amt nicht zu bezweifeln. Zudem wertete der Richter das vorenthaltene Glas Wasser als versuchte Aussageerpressung. Der Polizist habe den Betroffenen auf die Art dazu bringen wollen, ihm seine Personalien zu nennen. „Auch Angaben zur Person dürfen nicht durch unzulässige Mittel erpresst werden“, hielt der Richter fest.
Mit der Strafe von neun Monaten Haft auf Bewährung liegt das Gericht über dem von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafmaß von acht Monaten. Der Staatsanwalt hatte nach der Beweisaufnahme Zweifel geäußert, ob es sich bei dem Vorfall in der Bäckerei auch um eine versuchte Aussageerpressung gehandelt habe.
Für den jungen Polizisten bedeutet das Urteil wohl das Ende seiner Laufbahn. Zum Zeitpunkt der Taten war er erst seit einem Jahr im Dienst; er ist Beamter auf Probe. Mehrfach betonte er, wie viel für ihn in dem Verfahren auf dem Spiel stand. „Ich bin wirklich gern Polizist“, sagte er. Und: „Für mich ist Polizei alles.“
Lebenstraum geplatzt
Die Verteidigung bat deshalb in ihrem Plädoyer darum, beim Strafmaß zu berücksichtigen, dass „hier ein Lebenstraum geplatzt ist“. Die Strafe möge den Start in ein ziviles Berufsleben nicht allzu erschweren.
Eine Bitte, der das Gericht nur bedingt nachkam. Dass die Schläge berufsrechtliche Folgen haben, sei „Tat und Schuld angemessen“, so der Richter. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
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