Polizeigewalt am 1. Mai: Randalierer werden verurteilt
Polizist, der einen Demonstranten getreten hat, zu Haft auf Bewährung verdonnert, Verfahren gegen einen weiteren Beamten steht vor dem Abschluss.
Der 1. Mai 2010 hat weitreichende Folgen für zwei Berliner Polizisten. Ein Beamter, der einen am Boden liegenden Demonstranten gegen den Kopf getreten hatte, ist zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Das Verfahren gegen einen zweiten Polizisten, der den Demonstranten geschlagen haben soll, steht kurz vor dem Abschluss.
Im Anschluss an die "revolutionäre 1. Mai-Demonstration" war es in Kreuzberg zu Auseinandersetzungen gekommen. Dabei war auf dem Spreewaldplatz ein Mann vor einem heranstürmenden Polizeitrupp zu Fall gekommen. Ein Video auf der online-Plattform youtube zeigt, wie ein vermummter Beamter dem am Boden Liegenden mit voller Wucht gegen den Kopf tritt.
Die Polizei hatte noch in derselben Nacht ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt eingeleitet. Der Beamte hatte sich wenige Tage später gegenüber einem Vorgesetzten offenbart und die Tat gestanden (taz berichtete). Wie erst jetzt bekannt wurde, ist er bereits Ende Oktober in einem so genannten Strafbefehlsverfahren ohne öffentlichen Prozess verurteilt worden. "Bei klarer Beweislage ist das durchaus üblich", erklärt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Holger Freund. Dabei entwirft der Staatswalt einen Strafbefehl, der vom Richter geprüft und gegebenenfalls unterzeichnet wird. Wenn der Angeklagte nicht binnen zwei Wochen Einspruch einlegt, ist das Urteil rechtskräftig. Opfer und Öffentlichkeit werden in solchen Fällen nur auf Nachfrage informiert, so Freund. "Die Staatsanwaltschaft hat aber kein Interesse daran, Polizeibeamte besser als andere Angeklagte zu behandeln", betont der Sprecher. Im Gegenteil: Schließlich gehe es um das spezielle Delikt Körperverletzung im Amt.
Die Polizei hatte gegen den Beamten noch ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Zu dessen Ausagng könne man aus rechtlichen Gründen nichts sagen, teilte ein Sprecher mit. Beruflich ist der Polizist mit einem blauen Auge davon gekommen. Wäre er zu einer Haftstrafe von einem Jahr oder mehr verurteilt worden, hätte er nicht mehr als Polizist arbeiten dürfen. Er ist laut Polizei wieder im Dienst, allerdings auf einer anderen Dienststelle.
Anna Luczak, die Anwältin des Getretenen, hält das Urteil prinzipiell für angemessen, "obwohl es sicher härter ausgefallen wäre, wenn ein Demonstrant einen Polizisten getreten hätte". Sie hätte sich eine Verhandlung vor Gericht gewünscht, weil dann das ganze Beweismaterial öffentlich zugänglich wäre. Dazu gehören Polizeivideos, die den Vorfall aus anderer Perspektive zeigen.
Nach Informationen der taz ist darauf zu sehen, dass bereits vor dem Kopftritt ein anderer Beamter den schon auf dem Boden Liegenden mit dem Schlagstock getroffen hat. Dieser uniformierte Schläger war nicht geständig und musste mühsam ermittelt werden.
Laut Staatsanwaltschaft steht auch das Verfahren gegen ihn mittlerweile unmittelbar vor dem Abschluss. Danach könnte es für die beiden Polizisten noch kostspielig werden. Luczak will noch Schmerzensgeld für ihren Mandaten einklagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“