piwik no script img

Polizei in BrandenburgWenn das Schulkind am Zaun fixiert wird

Die Brandenburger Polizeibeauftragte stellt ihre Tätigkeiten im Jahr 2024 vor. Bei jedem zehnten Fall ging es um gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit.

Die Polizeibeauftragte des Landes Brandenburg, Inka Gossmann-Reetz Foto: picture alliance/dpa | Annette Riedl

Potsdam dpa | Jeder zehnte Fall, den Inka Gossmann-Reetz, Polizeibeauftragte des Landes Brandenburg, im Jahr 2024 beschäftigt hat, drehte sich um mutmaßliche gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Extremismus. Das sagte Gossmann-Reetz auf einer Pressekonferenz am Montag, bei der sie über ihre Arbeit im vergangenen Jahres sowie über aktuelle Entwicklungen im Verhältnis zwischen Bevölkerung und Polizei im Land Brandenburg berichtete.

Die meisten Beschwerden über die Polizei in Brandenburg drehten sich demnach im vergangenen Jahr um das Verhalten der Beamtinnen und Beamten. Rund 62 Prozent der 60 Fälle, die bearbeitet wurden oder werden, seien mutmaßliche Verhaltensfehler gewesen, berichtete Gossmann-Reetz. Bei einem Viertel der Fälle sei es um Rechtsfehler gegangen. 32 Fälle wurden nach ihren Angaben abgeschlossen, darunter 5 einvernehmlich und 9 teilweise einvernehmlich.

In einem konkreten Fall ging es darum, dass ein 13-jähriges Schulkind an einer Brandenburger Schule zwischenzeitlich an einem Zaun fixiert wurde. Ein anderer Fall handelte von Polizeigewalt bei einer Demonstration. Es gab auch Beschwerden zum Umgang mit Diensthunden.

Schulkind am Zaun fixiert

Unter den 60 Fällen waren 43 Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern, neun Anliegen von Polizeibeamten und ein Anliegen über eine Hilfeeinrichtung. Hinter einem Verhaltensfehler können sich unangemessenes Verhalten, Missverständnisse, unprofessionelles Auftreten oder Konflikte auf zwischenmenschlicher Ebene verbergen, heißt es im Bericht.

Das 13-jährige Schulkind war laut Bericht in einer akuten persönlichen Krise. Es hatte eine Botschaft verschickt, dass es abhauen wolle, einen Mülleimer in Brand gesteckt und das Schulgelände verlassen. Eine Mitbürgerin, die das Kind kannte, habe es zurück zur Schule gebracht. Bis der Rettungsdienst kam, wurde das Kind mit Handfesseln an den Schulzaun fixiert. Die Polizisten hätten abgelehnt, das Kind in ein Klassenzimmer zu bringen.

Ministerium entschuldigt sich

Das Innenministerium erklärte, die Polizei habe eine Flucht und Gefahren für das Kind und andere verhindern wollen. Das Fixieren mit Handfesseln am Schulzaun sei daher aus Sicht der Polizei erforderlich gewesen. Das Ministerium entschuldigte sich laut Bericht und räumte ein, dass das Vorgehen unangemessen gewesen sei. Im Bericht der Polizeibeauftragten heißt es, die Fixierung sei nur mit der Krisenlage begründet, ein aggressives Auftreten des Kindes sei ebenso wenig beschrieben wie ein Versuch der Kommunikation.

Im Jahr 2023 waren 53 Beschwerden und Eingaben eingegangen oder erhoben worden, allerdings begann die Polizeibeauftragte in dem Jahr erst mit ihrer Arbeit, und zwar am 22. März. Der Anteil der Beschwerden über das Verhalten war damals mit 68 Prozent höher, in 17 Prozent der Fälle ging es um mutmaßliche gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Extremismus. Elf Prozent bezogen sich auf Rechtsfehler.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!