Polizei im Fernsehen: Die Möchtegern-MacGyvers

TV-Formate über die Polizei sind nicht nur sehr skurril. Sie vermitteln auch ein fragwürdiges Bild von Polizeiarbeit.

Zwei Polizisten gehen eine Rolltreppe hinab

Echte Polizisten auf Streife in Ulm – in der Realität oft unspektakulärer als im TV Foto: Arnulf Hettrich/imago

Gerade habe ich mir mal ein langes Wochenende auf dem Land gegönnt. Verbracht habe ich es mit Wandern, Essen, Schlafen – und Scripted Reality im deutschen Privatfernsehen. Scripted Reality heißt, dass Lai­en­schau­spie­le­r*in­nen auf Po­li­zei­be­am­t*in­nen in schlecht sitzenden Uniformen treffen. Ich kann da einfach nicht wegschauen. Ich beschäftige mich viel mit der Arbeit der Polizei hierzulande, und wenn ich Sendungen wie „Der Blaulichtreport“, „Auf Streife“ oder „Auf Streife – die Spezialisten“ im Früh- oder Nachmittagsprogramm einschalte, werden meine Pupillen zu Popcorn-Emojis.

Meist treten Polizeipärchen auf: Harry und Heinrich, Thorsten und Torsten, Bernd und Björn. Manchmal tauchen auch Polizistinnen auf – in den Folgen, die ich am Wochenende sehen durfte, konnte sich aber die polizeiliche Manneskraft auf ganzer Strecke entfalten. Die Geschichten, die erzählt werden, passen mehr in die Kategorie skurril als real. Hier die Überschriften der einzelnen Sendungen einer einzigen Strecke am Samstagmorgen: „Frau in Dessous verprügelt Spanner“, „Mann mit Sturmmaske enthüllt Überfall aus Liebe“ oder „Nackter Bär führt zu Ehestreit“. Das, was die Au­to­r*in­nen dieser „Reality“ genommen haben, will ich auch!

Erfunden sind allerdings nicht nur die kapriziösen Storylines, bei denen sixpacktragende Schauspieler in Boxershorts oder bikinitragende Schauspielerinnen auftauchen müssen. Irreführende Darstellungen sorgen auch dafür, dass das Publikum gleich ein realitätsfernes Bild von der Polizeiarbeit im Allgemeinen verinnerlicht. Slapstick-Verfolgungsjagden, sonderbare Vernehmungen, Möchtegern-MacGyvers.

Oder entscheidende Details, die immer wieder vorkommen: Zwei Po­li­zis­t*in­nen spazieren gemütlich in die private Wohnung einer Person. Und nachdem Polizist Bernd schon längst die Schwelle überschritten hat, fragt er nur noch mal rhetorisch, ob er reinkommen dürfe. Die Person in der Wohnung nickt dann erschrocken. Dabei darf die Polizei nicht einfach so in Privatwohnungen rein. Ohne Durchsuchungsbefehl oder erkennbar drohende Gefahr ist für die Polizei rechtlich betrachtet Schluss an der Türschwelle.

Dann, nach einem besonders langen Wandertag – mir ist wichtig festzuhalten, dass ich einen aktiven Miniurlaub gemacht habe – nahm ich im Hotel wieder die Fernbedienung in die Hand, um den Muskelkater durch den beim Anblick der realitätsbefreiten Sendungen einsetzenden Kater in meinem Gehirn zu ersetzen. Diesmal spielte die Handlung in Berlin-Neukölln.

Auf dem Bildschirm bewegten sich Po­li­zis­t*in­nen, stiegen in Wannen, rannten durch die Gegend, posierten bei übertrieben inszenierten Razzien. Doch plötzlich tauchte Bezirksbürgermeister Martin Hikel auf. Der SPD­ler posierte vor der Kamera wie einer dieser Laien­schau­spie­le­r*in­nen. Ich brauchte einen kurzen Moment, um zu kapieren: Es war kein Scripted-Realty-Format – sondern Realsatire.

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Mohamed Amjahid ist freier Journalist und Buchautor. Bei Twitter schreibt er unter dem Handle @mamjahid, bei Instagram @m_amjahid. Seine Bücher "Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken" und "Let's Talk About Sex, Habibi" sind bei Piper erschienen.

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