Polizei ermittelt gegen Beamten: Vornamen Silvester-Verdächtiger nach rechts durchgestochen
Berlins Polizei ermittelt in den eigenen Reihen. Ein Beamter hatte Vornamen von Verdächtigen der Silvesternacht an ein rechtes Portal durchgestochen.

„Die Herausgabe persönlicher Daten ohne jede rechtliche Grundlage“ werde von der Polizei Berlin immer verfolgt, so der Sprecher weiter. Gegen den oder die Beamten, die die Namensliste möglicherweise aus „geschützten, internen Polizeisystemen rechtswidrig extrahiert und herausgegeben haben“, ermittle das Dezernat für Polizei- und Korruptionsdelikte beim Landeskriminalamt.
Der innenpolitische Sprecher der Linken, Niklas Schrader, hält den Vorgang für einen „handfesten Skandal“: „Jemand in der Berliner Polizei meint, personenbezogene Daten an ein rechtes Portal geben zu können, um eine rechte Debatte anzufeuern“, sagte Schrader der taz. Dabei wisse jede*r Polizist*in, dass Vornamen kriminologisch keine empirische Grundlage darstellen. „Die Namensdebatte führt zu nichts und ist kontraproduktiv“, sagte Schrader. Bei der Suche nach Ursachen der Gewalt und nach strategischen Lösungen sei dies nicht zielführend.
Kritik kommt auch von Berlins Datenschutzbeauftragter: „Die Herausgabe personenbezogener Daten aus polizeilichen IT-Systemen für private Zwecke stellt einen schweren Verstoß gegen die Datenschutzgesetze dar“, sagte Meike Kamp am Donnerstag der taz. Kamp begrüßt die internen Ermittlungen und fordert Konsequenzen. „Wer so eine Liste unbefugt erstellt oder herausgibt, muss mindestens mit einem Bußgeld rechnen.“
Thema im Innenausschuss
Das rechte Portal „Nius“ wollte nach eigenen Angaben mit der polizeiinternen Liste belegen, dass unter den vielen deutschen Verdächtigen der Silvesternacht ein Großteil einen Migrationshintergrund haben soll. Die Polizei darf den Migrationshintergrund von Verdächtigen nicht erfassen. Also wird versucht, aus den Vornamen Rückschlüsse auf eine vermeintliche Migrationsbiografie zu ziehen.
Die Herausgabe dieser Unterlagen sei nicht nur ein Verstoß gegen den Datenschutz, sondern „befeuert nebenher einen unverhältnismäßigen und diskriminierenden Erklärungsansatz für individuelle, strafrechtliche Verhaltensweisen“, zitierte der Tagesspiegel Polizeisprecher Nath.
Schrader kündigte an, den Vorfall am Montag im Innenausschuss zu besprechen. „Ich erwarte von der Innensenatorin eine Übersicht, wer überhaupt auf diese Daten Zugriff hat.“ Die Verantwortlichen müssten disziplinarrechtlich und möglicherweise auch strafrechtlich sanktioniert werden. Die Senatsinnenverwaltung wollte sich am Donnerstag nicht zum Vorfall äußern.
Mehr als 1.450 für Silvester typische Straftaten
Es ist nicht das erste mal, dass im Zusammenhang mit der Silvesternacht die Vornamen von Tatverdächtigen ins Spiel gebracht werden. Nach den Krawallen in der Silvesternacht 2022 hatte die CDU 2023 im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses nach den Vornamen von Tatverdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit gefragt. Dies sorgte für große Empörung und Rassismus-Vorwürfe.
Auch die AfD-Fraktion hatte unmittelbar nach dem jüngsten Jahreswechsel eine parlamentarische Anfrage an den Senat zu den Vornamen der Verdächtigen angekündigt. Vor zwei Jahren war die rechtsextreme Partei bereits damit gescheitert, den Senat per Gericht dazu zu verpflichten, über die Staatsangehörigkeiten von Verdächtigen hinaus auch deren Vornamen mitzuteilen.
Nach aktuellen Zahlen der Berliner Polizei zu Vorfällen in der Silvesternacht wurden 1.453 für Silvester typische Straftaten registriert. 58 Polizisten und Polizistinnen sowie ein Mitarbeiter eines Rettungsdienstes wurden demnach angegriffen. Verletzt wurden dabei 17 Polizisten, 8 davon durch Pyrotechnik.
Die Polizei erfasste nach eigenen Angaben insgesamt 670 Verdächtige. 406 davon besitzen nach den Angaben eine deutsche Staatsangehörigkeit, 264 eine andere. 40 der Verdächtigen sollen Einsatzkräfte angegriffen haben. Dabei handele es sich laut Polizei um 16 Erwachsene, 12 Heranwachsende und 11 Jugendliche sowie ein Kind.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen