Polizei durchsucht Hausprojekt in Berlin: Razzia in der Liebig 34
Nach Steinwürfen hat die Polizei Räume im queerfeministischen Hausprojekt Liebig 34 durchsucht. Bewohner*innen kritisieren den Einsatz.
Bei der folgenden Durchsuchung um 6.20 Uhr war laut Polizei niemand in den Räumen anzutreffen. Allerdings hätten die Einsatzkräfte Vermummungsutensilien, Wurfgeschosse, Steine, Farbbomben sowie Flaschen „sichergestellt“, wie es in der dazugehörigen Pressemitteilung heißt. 120 Polizist*innen sowie ein Polizeihubschrauber seien an der Durchsuchung beteiligt gewesen. Weitere Ermittlungen führe der Staatsschutz.
Während des Einsatzes seien die Beamten aus einem gegenüberliegenden Haus mit Pyrotechnik und Farbbomben beschossen worden. Dabei sei ebenfalls niemand verletzt worden. Genauere Angaben waren am Sonntag von der Polizei nicht zu bekommen.
Von der Farbattacke war ein Video auf Twitter zu sehen: Eine vorbeifahrende Wanne wurde dort vom Bürgersteig aus – wohl mit einem Feuerlöscher – großflächig mit gelber Farbe besprüht. Ebenso gab es grüne Farbbomben und Böller in Richtung der Polizei. Auf der Rigaer Straße brannte zudem wohl eine Mülltonne.
Geladene Stimmung
Die Razzia fällt in eine ohnehin schon aufgeladene Atmosphäre. Der Liebig 34 droht wie mehreren linken Projekten und Kneipen in Berlin derzeit die Räumung. In der linken Szene werden drohende Verluste als Angriff gewertet, der nicht widerspruchslos bleiben soll. Es formieren sich Proteste, ebenso gibt es Aufrufe, neue Räume zu besetzen (taz berichtete).
Sprecher*innen des Hausprojekts Liebig 34 warfen der Polizei nach der Razzia Sachbeschädigung, Freiheitsberaubung und Diebstahl vor. Die Beamt*innen hätten auch Privaträume durchsucht, für die kein Durchsuchungsbeschluss vorlag. Mitglieder des Kollektivs seien dabei zudem zeitweise in einem Gemeinschaftsraum eingesperrt gewesen. Auch seien die Eingangstür zersägt, Internetkabel durchschnitten und Netzwerktechnik entwendet worden, hieß es in einer Mitteilung.
Eine Sprecherin der Liebig 34 kommentierte: „Um ehrlich zu sein, überrascht uns das Eindringen in unsere Räume nach den hitzigen Diskussionen der letzten Wochen nicht. Dass die Polizei dabei nicht vor Diebstahl und Freiheitsberaubung zurückschreckt, ist jedoch aus juristischer Sicht mehr als fragwürdig.“
Zudem kritisierten Vertreter*innnen des Hausprojekts, dass die Polizei DNA-Proben von Haushaltsgegenständen abgenommen habe: „Das Sammeln von DNA und Fingerabdrücken in einem offenen Hausprojekt wie der Liebig34 ist eine Absurdität. Verschiedenste Menschen haben sich bereits in unseren Räumen aufgehalten, und ihre DNA wird nun unabhängig von dem Vorliegen einer Straftat gespeichert.“ Personalien seien allerdings nicht festgestellt worden.
Steinige Einsätze
Im Norden Friedrichshains um ehemals und aktuell besetzte Häuser zeigt die Polizei verstärkte Präsenz – im Zuge dessen flogen immer wieder Steine auf Einsatzfahrzeuge. Auf einem vom Twitterkanal der Rigaer 94 geteilten Indymedia-Beitrag heißt es dazu: „In den letzten Wochen hat sich gezeigt, dass die zahlreichen und konstanten Farb- und Steinaktionen dazu taugen, die Belagerungseinheiten auf Abstand zu halten.“
Der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei, Benjamin Jendro, sprach angesichts der Steinwürfe von „Terrorismus“ und „Angriffen auf Menschen, bei denen schwerste Verletzungen und selbst der Tod bewusst in Kauf genommen werden“. Jendro bemängelte zu wenig Unterstützung durch die Berliner Politik. Laut Polizei flogen in der Nacht zum Sonntag erneut Steine, verletzt wurde wiederum niemand.
Die Liebig 34 kündigte nach der Hausdurchsuchung eine Kundgebung am Sonntagabend am Dorfplatz, der Kreuzung Rigaer- Ecke Liebigstraße, an. Am Samstagabend gab es bereits eine unangemeldete Kundgebung, die mit Pyro vom Bersarinplatz zur Liebig 34 zog.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers