Polizei bei Corona-Protesten: Gewalt unter Kollegen
Bei Corona-Protesten in Sachsen soll ein LKA-Beamter privat einen Polizisten körperlich angegriffen haben. Ob weitere Beamte protestierten ist unklar.
![Polizisten bei einer Demonstration im Dunkeln. Polizisten bei einer Demonstration im Dunkeln.](https://taz.de/picture/5286578/14/29050418-1.jpeg)
An der unzulässigen Versammlung in Pirna beteiligten sich nach Angaben der Dresdner Polizeidirektion etwa 150 Menschen. Gegen mindestens 80 Personen wurden Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet, hinzu kamen „mehrere Strafanzeigen wegen tätlichen Angriffs sowie Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte“, eine davon gegen den LKA-Beamten.
Die LKA-Präsidentin Sonja Penzel habe gegen den Beamten „umgehend disziplinar-rechtliche Maßnahmen eingeleitet“, wie sie der Presse mitteilte. Der Beamte sei von seinen gegenwärtigen Aufgaben entbunden.
Außer in Pirna versammelten sich am Montag auch in anderen sächsischen Städten Menschen und protestierten gegen die Maßnahmen. Allein die Dresdener Polizei zählt noch Proteste in Coswig, Radebeul, Meißen und weiteren Orten auf – mit jeweils zwischen 100 und 300 Personen.
Generell dürfen Beamte protestieren
Ob dabei auch Polizeibeamte waren, ist dem Innenministerium nicht bekannt. „Bei lebensnaher Betrachtung ist es aber wahrscheinlich, dass sie zu Protesten gehen“, vermutet Marschel Schöne gegenüber der taz. Er ist Professor an der Hochschule der sächsischen Polizei. Konkrete Daten gäbe es nicht, aber auch in der Polizei gibt es noch keine hundertprozentige Impfquote. Das sei ein Hinweis darauf, dass es einige gäbe, die an der Corona-Politik zweifeln.
„Noch nie hatten wir eine Situation, die die gesamte Gesellschaft so polarisiert hat“, das zeige sich auch auf den heterogenen Versammlungen. Darum glaubt er, dass auch Polizisten an den Demonstrationen teilnehmen.
„Generell dürfen die Beamten aber auch“, erklärt Schöne. Als Bürger*innen in Uniform gilt auch für Beamte das Versammlungsrecht. Aber sie dürfen sich nicht als solche zu erkennen geben, keine Uniform tragen und müssen sich an gegebenes Recht halten.
In Sachsen bedeutet das aktuell für Versammlungen: maximal zehn Personen und an einen Ort gebunden. Die sogenannten „Spaziergänge“ sind also ebenfalls nicht zulässig. Widerstand gegen oder ein tätlicher Angriff auf andere Polizeibeamte hätten aber noch eine andere Qualität und Konsequenzen. „Das schadet der Glaubwürdigkeit der Polizei“, sagt Schöne.
Wie einst der „Hutbürger“
Ähnlich äußert sich auch die innenpolitische Sprecherin der Linken Kerstin Köditz. „Wer sich so verhält, wie es beschrieben wird, sollte aus dem Polizeidienst rausfliegen“, fordert sie. Auch sie vermutet, dass in Sachsen weitere Polizist*innen protestieren.
In Sachsen gäbe es „eine längere Liste sogenannter Einzelfälle“, sagt Köditz und erinnert unter anderem an den sogenannten „Hutbürger“ Maik G. Er arbeitete beim LKA, war privat bei Pegida und ging 2018 ein Filmteam des ZDF an. Aber es sei ein gutes Zeichen, so Köditz, dass die Polizei den Fall selbst öffentlich gemacht habe.
Auch Albrecht Pallas lobt die schnelle Reaktion des LKA. Er ist innenpolitischer Sprecher der SPD im sächsischen Landtag, in dem die SPD mitregiert – und war früher selbst Polizist. Ob weitere Beamte an den Protesten teilnahmen, könne er aber auch nicht sagen. Dafür kritisiert er die anfängliche Zurückhaltung der Polizei, gegen illegale Versammlungen vorzugehen. Mittlerweile habe sich das aber gebessert, sagt er.
Der sächsische Innenminister Roland Wöller (CDU) bezeichnete das Verhalten des Polizisten in Pirna als „unentschuldbar“. „Wenn sich der Vorwurf so bestätigt, hat der Beamte nichts mehr in den Reihen der Polizei zu suchen.“ Bis der Beamte durch ein Disziplinarverfahren entfernt werden könnte, kann es jedoch dauern. Es ruht, bis das strafrechtliche Verfahren abgeschlossen ist.
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