Politologin über Einsatz von EU-Geld: „Es soll keine Militärhilfe sein“

Die EU-Kommission will Entwicklungsgelder umwidmen. So gefährde sie die Glaubwürdigkeit ihrer Friedenspolitik, sagt Martina Fischer von Brot für die Welt.

Ein Junge trägt einen anderen auf seinem Rücken

Ein Teil der EU-Gelder könnte zukünftig in Militärbudgets statt in der Schulförderung landen Foto: reuters

taz: Frau Fischer, die EU-Kommission will einen Geldtopf für friedensfördernde Projekte so umwidmen, dass er Militär in Entwicklungsländern zugute kommen könnte. Was regt die GegnerInnen daran so auf?

Martina Fischer: Weil die friedenspolitische Glaubwürdigkeit Europas auf dem Spiel steht. Mit den Geldern des Instruments wird die zivile Konfliktbearbeitung gefördert. Die Kommission möchte aber damit nun auch Ausrüstung und Ausbildung für Partnerarmeen ermöglichen, etwa in afrikanischen Ländern. Das Argument: Wir müssen die Länder so ausrüsten, dass sie sich gegen Staatszerfall und Terrorismus wappnen können. Das Europäische Parlament muss nun entscheiden, ob die Vorlage des Auswärtigen Ausschusses in die Trilogverhandlungen zwischen den EU-Institutionen geht.

Was gehört denn zur zivilen Konfliktbearbeitung?

­Nichtregierungsorganisationen zum Beispiel, die sich engagieren, um Gewaltkonflikten vorzubeugen. Es werden Menschen in Not nach Waffenstillständen unterstützt oder kriegszerstörte Gesellschaften in Aussöhnungsprozessen. Oder etwa die Wiedereingliederung von ehemaligen Kämpfern in die Gesellschaft. Die Kommission sagt zwar, auch in Zukunft sollten keine Munition und keine Waffen geliefert werden. Aber wir wissen, dass in modernen Kriegen auch andere Dinge kriegsentscheidend sein können, zum Beispiel die Kommunikationstechnik.

Die BefürworterInnen sagen, Entwicklung gehe nicht ohne Sicherheit. Warum also nicht beides aus einem Topf fördern?

Über den Sinn und Zweck dieser Art von militärischer „Ertüchtigung“, wie es genannt wird, lässt sich streiten. Aber das Instrument wurde eben speziell für friedensfördernde Maßnahmen geschaffen und die 2,3 Milliarden Euro für 2014 bis 2020 sind ohnehin schon knapp. Wird das Militär in dieses Instrument hereingenommen, werden die zivilen Akteure und das Militär miteinander um Mittel konkurrieren. Da werden die zivilen Ansätze mit Sicherheit den Kürzeren ziehen.

58 Jahre, ist Referentin für Frieden und Konfliktbearbeitung beim evangelischen Entwicklungsdienst Brot für die Welt.

Das Budget soll aber doch aufgestockt werden, wenn die Änderung durchkommt?

Der Vorschlag war, das Ins­trument aufzustocken um 100 Millionen Euro bis 2020 und dafür auch Mittel aus dem Entwicklungshilfeetat zu nehmen. Diese Entwicklungsgelder sollen aber doch bitte für Kernaufgaben von Entwicklungspolitik ausgegeben werden – es soll keine Militärhilfe sein. Dieser Punkt ist noch nicht vom Tisch, auch wenn der Auswärtige Ausschuss empfiehlt, das Budget nicht anzutasten.

Sollen die Gelder auch für Fluchtursachenbekämpfung ge­nutzt werden?

Ursachenbekämpfung wird das nicht sein. Schon 2017 wurden 60 Millionen Euro aus dem Topf für Grenz- und Migrationskontrolle in der Türkei verwendet. Wenn nun also das EU-Instrument noch stärker für Strukturen verwendet würde, bei denen es nur darum geht, Migranten aufzuhalten, fände ich das doppelt skandalös.

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