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Politologe über die CDU in Sachsen„Anzubandeln wäre suizidal“

Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD? Andreas Püttmann stellt fest, dass die Grenze zwischen Konservatismus und Rechtspopulismus verschwimmt.

Mancherorts wollen CDUler mit der AfD koalieren Foto: Karsten Thielker
Christian Jakob
Interview von Christian Jakob

taz: Herr Püttmann, Teile der Union können sich eine Zusammenarbeit mit der AfD vorstellen, die Parteiführung ist strikt dagegen. Wir groß sind die inneren Spannungen in der Partei?

Andreas Püttmann: Sie sind groß, aber mehrheitlich klar zuungunsten der AfD verteilt, mit Unterschieden je nach Landesverband. Ich sehe nicht, dass ein Rechtsbündnis realistisch wäre. Dafür haben doch zu viele aus der Geschichte gelernt. Die Unionsanhänger insgesamt lehnen zu drei Vierteln, die im Osten zu zwei Dritteln eine Koalition mit der AfD ab. Kaum ein Fünftel, im Osten ein Viertel befürwortet sie. Im Juli sprachen sich 27 Prozent der sächsischen Wahlberechtigten für eine schwarz-blaue Koalition aus, bei 26 Prozent Wahlabsicht für die AfD. Vor dem Hintergrund, mit der AfD anzubandeln, wäre es für die CDU geradezu suizidal, zumindest der sichere Weg zu deren Juniorpartner. Die AfD-Klientel ist eine große Minderheit, aber weitgehend isoliert.

Wenn das Kräfteverhältnis so klar ist – woher dann die Nervosität, die sich etwa am Umgang mit der Meldung über einen angeblichen Parteiausschluss Hans-Georg Maaßens zeigte?

Die Nervosität in Sachen Maaßen hat nur mit der aktuellen Wahlsituation zu tun. Man hätte halt gern auch die paar Prozent rechtsorientierte Wechselwähler eingesammelt, um das Kopf-an-Kopf-Rennen im Land zu gewinnen und einen Propagandaerfolg der AfD zu vereiteln.

Maaßen hat Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer geraten, sich im Wahlkampf vom Adenauer-Haus zu distanzieren. Wie sollte Kretschmer damit umgehen?

Eine zu pointierte Distanzierung von der Bundespartei als Reaktion auf unwillkommene Einreden wäre sicher schädlich. Sie erschiene auch wenig glaubwürdig, röche nach Inszenierung eines der CSU nachgespielten „Mir san mir“. Die ist aber eine eigenständige Partei – und ging trotzdem im letzten Landtagswahlkampf mit ihrem Kollisionskurs gegenüber „Berlin“ baden.

Viele, etwa die Werte Union, sehen rechtspopulistische Politik à la AfD offenbar als eine Art konsequenteren Konservatismus. Was ist da dran?

Ja, manche Rechtskonservative halten die Rechtspopulisten nur quasi für Verwandte mit etwas schlechteren Manieren. Diese Sicht zeugt von einem Mangel an historischer Bildung. Neurechte Ideologen, die die AfD inspirieren, beziehen sich auf die „Konservative Revolution“ der Weimarer Republik, eine antidemokratische, präfaschistische Bewegung.

Warum sind bestimmte Teile des einstigen CDU-Milieus heute für eine Ideologie und Sprache empfänglich, die sich durch derartige Verachtung für die Institutionen auszeichnet?

Weil sie gesellschaftspolitisch in den letzten Jahrzehnten von Niederlage zu Niederlage geeilt sind im Streit um Abtreibung und Frauenquoten, Gesamtschule und Atomkraft, ratifizierte Gebiets- und Eigentumsverluste im Zuge der Wiedervereinigung, Wehrpflicht, Mindestlohn, Homo-Ehe und Einwanderung. Manche sind darüber verbittert und unterscheiden nicht mehr zwischen politischen Inhalten und dem Regelwerk der Demokratie, zwischen einer sich nun mal wandelnden Gesellschaft und dem Staat.

Die politische Klasse ist verhasst, auch von vielen, die selbst dazugehören. Weshalb?

Weil man nicht offener Antidemokrat sein will, sind die Eliten die identifizierbaren Sündenböcke, obwohl die nur Veränderungen abbilden und vollziehen. Die versteckte, bessere Elite gibt es nicht, auch wenn die meisten sich selbst und ihr Gesinnungsbiotop dafür halten. Diese Hybris und Verplumpung des politischen Denkens werden besonders im Internet gezüchtet, wo man unter sich ist. In der Wählerklientel der Union konnte so der alte, toxische Weimarer Rechtskonservativismus wieder erwachen, der vorher weitgehend kulturell isoliert, innerparteilich majorisiert, psychologisch entmutigt und somit politisch einigermaßen eingehegt war.

Weshalb verbietet sich eine Kooperation von CDU und AfD?

Weil schon das AfD-Grundsatzprogramm ein Zerrbild unserer Verfassungswirklichkeit als Quasi-Diktatur zeichnet, von einem „illegitimen Zustand“ spricht, den das Volk beenden müsse. Nicht von ungefähr spielt die Rhetorik von AfD-Politikern ja immer wieder mit dem Gedanken an Widerstand, Bürgerkrieg und Revolution, wenn es etwa heißt, man die AfD sei die „letzte evolutionäre Chance für unser Vaterland“. Die Abgrenzung zum Rechtsextremismus funktioniert so gut wie gar nicht. Ohne oder gegen den völkisch-nationalistischen Flügel der Partei geht nichts, und dies verschärft sich eher, als sich zu bessern.

Ist der Streit über den Umgang mit der AfD innerhalb der Union ein Ost-West-Konflikt?

Im Interview: Andreas Püttmann

ist Politologe und katholischer Publizist. Am 22. August ist der 55-Jährige abends zu Gast bei der Sachsen-Gala der taz in der Dresdener Motorenhalle.

In der Ost-CDU fehlen manche Erfahrungen und Entwicklungen, die im Westen in 70 Jahren liberaler Demokratie prägend wirken konnten. Und: Im Osten ist der Einfluss der Kirchen viel geringer, ein oft unterschätzter Faktor für die CDU. Dass eine christlich-ethisch grundierte Partei hier bei nur gut 20 Prozent Christenanteil in der Bevölkerung so stark werden konnte, war eine besonderen Umständen geschuldete Anomalie. Die West-CDU wurde 1990 im Osten geschätzt als Partei des Antikommunismus, der Wirtschaftskompetenz und der raschen Wiedervereinigung. Ihr geistiger Markenkern war zunächst nachrangig. Seit einigen Jahren wächst nun auseinander, was nicht zusammengehört. Auch im Westen, aber eben in anderen Proportionen.

Wie wird die CDU nach Angela Merkel aussehen?

Man darf die Prägekraft einer Person für eine ganze Partei nicht überschätzen, auch nicht bei so langer Führungszeit wie der Angela Merkels. In Zeiten volatiler Parteibindungen könnte schon ein Bruch im Habitus an der Spitze schneller zu Verlusten führen als sich kompensatorisch Gewinne einstellen. Vertrauen verliert man schneller, als man es aufbaut. Ich vermute: Mit Friedrich Merz läge die CDU jetzt um die 20 Prozent, nicht nur inhaltlicher Akzentverschiebungen wegen. Die CDU der Zukunft muss noch mehr als die der Vergangenheit aus der Mitte heraus regieren, nicht nur wegen der Koalitionspartner. Verlorenen Rechten nachzulaufen, würde nicht funktionieren. Es verkennt die Nachhaltigkeit rechtspopulistischer Verhetzung. Angela Merkels ruhige Sachlichkeit, ihr Zuhörenkönnen und Abwägen, ihre Empathie, ihr gelassener und schlagfertiger Umgang mit Anfeindungen, ihre auch mal humorvolle menschliche Souveränität sind hohe Maßstäbe.

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10 Kommentare

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  • Das Thema bereitet mir auch Sorgen. Klar will die CDU das mehrheitlich nicht. Aber wer weiß, was passiert, wenn die CDU nach einer Landtagswahl die Wahl hat, mit der AfD oder den Linken zu koalieren? Und wenn dann noch die AfD den Trumpf als stärkste Partei in der Hand hält? Hoffen wir, dass es dazu nicht kommt. Deutschland ist jetzt schon viel zu braun.

  • „Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD?“



    Wäre es nicht Zeit, sich des alten Sprichworts zu erinnern, wonach man das Fell des Bären nicht verteilen soll, solange selbiger nicht erlegt ist? Sollten nicht erstmal die Wähler ihre Meinung äußern dürfen, bevor die Koalitionsdiskussionen beginnen? Oder werden Wahlergebnisse als Koalitionsgrundlage gar nicht mehr gebraucht?



    Zur Erinnerung: Auch vor der letzten Btw galt die AfD/CDU-Koalition in manchen Kreisen als ausgemachte Sache. Beinahe wäre es auch so weit gekommen! Denn den anderen Parteien gelang keine der möglichen Varianten. Nur weil SPD und CDU in den sauren Apfel bissen und eine neue GroKo begannen, blieb uns SchwarzBlau erspart.



    Vielleicht bleibt nach der nächsten Landtags- oder Bundestagswahl nur eine Koalition zwischen CDU und Linken übrig? Dann waren alle ach so todsicheren Vorhersagen für die Katz‘!

  • "Warum sind bestimmte Teile des einstigen CDU-Milieus heute für eine Ideologie und Sprache empfänglich, die sich durch derartige Verachtung für die Institutionen auszeichnet?"

    Nicht nur Teile des einstigen CDU-Milieus. Ich als frühere Grün-Rot-Links-Wählerin (und früheres SPD-Mitglied) habe mich von diesen abgewandt, als sie sich meiner Einschätzung nach, zu Lasten der Frauen und Mädchen mit und ohne Migrationshintergrund in diesem Land, den Bedürfnissen und Befindlichkeiten einer Bevölkerungsgruppe zuwandten, die eher männlich und religiös dominiert ist.

    • @*Sabine*:

      [...] bei den von Ihnen angesprochenen "Bedürfnissen und Befindlichkeiten einer Bevölkerungsgruppe" handelt es sich offenkundig nicht um bibelfeste Sorben, Kleinwüchsige, Ostfriesen, Reiche oder Sachsen, sondern um Asylbewerber, Geflüchtete, Migranten. Was Sie hier in völlig fehlgeleitetem neidischen Unterton ansprechen, betrifft eine Ausnahmesituation, die sich mittlerweile in vielen Regionen auf ein verkraftbares Maß zurückgebildet hat. In weiten Teilen Sachsens mit hohen Zustimmungsraten für nationalistisch geprägtes AfD-Gedöns ist von den Auswirkungen der Zuwanderung nur marginal etwas zu spüren. Lenken Sie Ihren Frust auf die wahren Fehlsteuerungen: jahrzehntelange Dumping-Lohn-Politik der CDU-geführten Landesregierung, um sich damit die dringend benötigten Wirtschaftsinvestitionen zu sichern und zugleich eine beispiellose Bereitschaft der angeblich heimatliebenden Bevölkerung, für etwas mehr Geld in den Goldenen Westen abzuwandern. Der hiergebliebene Rest mokiert sich über wessihafte Bevormundungen, hat aber jahrelang ostdeutschen Schlaftabletten wie Matthias Rößler oder Stanislav Tillich die Stange gehalten.



      Wenn Sie mehr politische Zuwendung für heute schon bestens ausgebildete, sozial und beruflich freie Mädchen und Frauen suchen, sollten Sie lieber nochmal im Kleingedruckten der Afd nachlesen. Da finden Sie entweder nichts oder sinngemäß die 3Ks.

      [...] Beitrag editiert. Bitte beachten Sie die Netiquette. Vielen Dank, die Moderation

      • @Edward:

        Auf "... das verkraftbare Maß ..." blicken Sie und ich, evtl. geschlechtsbedingt, unterschiedlich.

      • @Edward:

        Mir ist nicht ganz klar, wo Sie in meinem Beitrag Frust und Neid herauslesen. Evtl. liegt ein Missverständnis vor, ich werde weiter darüber nachdenken, wo ich mich evtl. falsch ausgedrückt habe

        Als Atheistin und Frau macht mir einfach die fast kritiklose Hinnahme frauen-, juden- und homosexueller Einstellung mancher Bevölkerungskreise Angst. Ihnen vielleicht auch, nur dass sie solche Einstellungen in einem anderen Bevölkerungskreis verorten als ich.

        Jedenfalls standen Grüne-Rote-Linke früher für u.a. Frauenrechte und gegen das Erstarken von Religion(en), jetzt meiner Einschätzung nach nicht mehr.

        Mit der sächsischen Landspolitik habe ich mich noch nicht intensiv beschäftigt, ich lebe in Ba.-Wü., werde ich aber bei Gelegenheit nachholen.

        Ich suche nicht "mehr politische Zuwendung" für Frauen und Mädchen. Ein Anfang wäre es für mich bereits, wenn ausnahmslose ALLE Bewohner dieses Landes, mit und ohne Migrationshintergrund, die Schulpflicht auch für Mädchen akzeptieren und Mädchen nicht aktiv von höheren Schulabschlüssen und/oder einer Ausbildung/Studium abhalten würden.

  • Die AfD ist die CDU von gestern. Das ist das Wesen des Konservativismus, der ja ohne eigene Theorie und Werte daherkommt, sondern lediglich einen (fiktiven) Ist-Zustand aus der Epoche erhalten möchte, in der die Protagonisten jung waren.

    Konservativismus ist eine Mischung aus Misstrauen, Mutlosigkeit und mangelnder Vorstellungskraft. Keine Politische Position.

    Etwas anders sieht des mit der Reaktion aus. Der Reaktionär will in einen vollständig phantasierten Urzustand zurück kehren.



    Das kommt einem politischen Programm schon reichlich nahe und wird von Herrn Höcke und Frau Wagenknecht - visionär - ja auch sehr unterschiedlich ausgestaltet.

    Aus einem Konservativen, der sich nicht weiter entwickelt, wird also automatisch ein Reaktionär.



    Strauß, Filbinger und Dregger wären heute natürlich in der AfD.

    Ich hoffe auch, dass eine CDU unter Merz oder auch AKK die Mehrheiten nicht mehr herstellen kann, zu denen Merkel fähig war. Das sehen wir ja auch gerade.



    Mit ein bisschen Glück gibt es also außerhalb der ehemaligen DDR keine Mehrheiten für schwarz-braun.

    Es sei denn Christian Lindner......



    Auch das halte ich für denkbar.

    Mit der Verteufelung der AfD - wie schon gesagt: Fleisch vom Fleische der CDU - verliert der rechte Block seine Machtoption.

    Es bleibt nur zu hoffen, dass SPD und "Die Linke" sich irgendwie zusammenraufen und den Zustand von einer rechten und einer linken Sozialdemokratie beenden. Dann könnte man sich mal mit der Zukunft beschäftigen, statt mit der Befindlichkeit alter weißer Männer aus Bayern.

  • "schwarz-blaue Koalition"

    Was in braun ist denn blau?

    • @Michael Garibaldi:

      Blau ist das neue Braun.

      (sorry, couldn't resist)

  • AfD - Fleisch vom Fleische der bürgerlich-konservativen Mitte

    Zitat: „Andreas Püttmann stellt fest, dass die Grenze zwischen Konservatismus und Rechtspopulismus verschwimmt.“

    Diese Grenze war allerdings schon immer porös. Das AfD/Pegida-Biotop steht in einer dezidiert antiliberalen, antidemokratischen und antiegalitären Tradition einer relativ kohärenten politischen Bewegung, der „Konservativen Revolution“ der 20er Jahren, die sich selbst als „radikale Reaktion, als Revolution gegen die Revolution“ von 1918 verstand. Hermann Rauschning sah in ihr die „Gegenkraft gegen die Bewegung, die mit der Französischen Revolution zum Sieg gekommen war, namentlich den Glauben an die Veränderbarkeit des Menschen, die verstandesmäßige Durchschaubarkeit aller Dinge“. In der Historiographie gilt sie als Wegbereiter der Hakenkreuzler. Der französische Historiker Louis Dupeux identifizierte sie gar als dominierende ideologische Strömung in der Weimarer Republik und als „préfascisme allemand“. Zu diesem Schluß war schon Thomas Mann kurz nach der Machtübergabe an Hitler gekommen, als er die Hakenkreuzler als „politische Wirklichkeit jener konservativen Revolution“ bezeichnete (Tagebuch v. 26. Sept. 1933)

    Auch Charles Maurras, Monarchist, Antisemit und Gründer der „Action française“, der für den Katholizismus als Staatsreligion in Frankreich plädierte, propagierte „eine konservative Revolution, eine Restauration, eine Rückkehr zur Ordnung“, die man nur „mit der Hilfe gewisser Elemente in Verwaltung und Militär erfolgreich durchführen“ könne.

    AfD/Pegida ist folglich ein politisches Derivat der bürgerlichen Mitte, Fleisch von ihrem Fleische. Die konservativen Revolutionäre waren, wie gesehen, „Präfaschisten“, also keine Nazis strictu sensu, sowenig die AfD/Pegida-Fans in toto „Nazis“ sind. Aber das Holz, aus dem sie geschnitzt sind, wuchs auf demselben Stamm.