Politologe über Schleswig-Holstein: „Vergleichsweise arm“

Im Saarland hat die CDU verloren. Hat das Auswirkungen auf die Wahl in Schleswig-Holstein? Sie wird spannender, sagt Politologe Christian Martin.

Die grüne Spitzenkandidatin in Schleswig-Holstein, Monika-Heinold, im Gespräch mit Robert Habeck beim Wahlkampfauftakt in Flensburg

Gelingt der grünen Spitzenkandidatin Monika Heinold der Einzug in die Kieler Staatskanzlei? Foto: Axel Heimken/dpa

taz: Herr Professor Martin, im Saarland hat der CDU-Amtsinhaber krachend verloren. Gibt das der SPD in Schleswig-Holstein Rückenwind, muss Ministerpräsident Daniel Günther zittern?

Christian Martin: Daniel Günther ist in anderer Position als Tobias Hans, der ohne Wahl Annegret Kramp-Karrenbauer ins Amt folgte. Günther hat bereits gezeigt, dass er eine Wahl gewinnen kann, und er hat eine Koalition gebildet, die ziemlich geräuschlos funktioniert hat. Gleichzeitig gilt, dass ein Sieg einer Partei natürlich Rückenwind gibt. Ob Daniel Günther zittern muss, weiß ich nicht, aber die Wahl wird spannender.

Ukraine-Krieg, Corona und Klima-Krise – wie wichtig sind angesichts dieser großen Herausforderungen die lokalen Themen für Wahlen?

Es gibt ein lokales Thema in Schleswig-Holstein, das die Menschen in Umfragen als sehr wichtig einschätzen: Bildung, von Kita bis Hochschule. Die zuständige CDU-Ministerin Karin Prien hat sich dabei nicht nur mit Ruhm bekleckert, Stichwort Twitter-Shitstorm. Das belastet sie, das belastet die CDU bei dieser wichtigen Frage. Auch den Fachkräftemangel nehmen Menschen als wichtig wahr. Da wird die CDU als kompetenter eingeschätzt. Das dritte im Land relevante Thema ist Klima- und Umweltschutz, verbunden mit dem Ausbau Erneuerbarer Energie – nun kommt die Debatte um Flüssiggas dazu. Interessant wird sein, ob Corona im öffentlichen Bewusstsein am Wahltag noch eine Rolle spielt. Anders als im Saarland gibt es in Schleswig-Holstein kaum Angst vor Arbeitsplatzverlust. Das ist ein Faktor, der gegen Regierungswechsel spricht.

„Das bessere Schleswig-Holstein?“ Diskussion mit Serpil Midyatlı (SPD), Susanne Spethmann (Die Linke) und Aminata Touré (Grüne). Moderation: Jan Kahlcke (taz nord). 30. März, 19 Uhr, Die Pumpe, Haßstraße 22, Kiel. Infos unter taz.de/salon

Sie haben zu Kommunalpolitik in Schleswig-Holstein geforscht und herausgefunden, dass die Rolle der Parteien hinter den Erfordernissen vor Ort zurücktritt. Gilt ähnliches auch auf Landesebene?

Man kann als Regel aufstellen: Je kleiner die politische Einheit, desto unwichtiger sind Parteien. Auf Landesebene gibt es durchaus Parteibindungen, gerade in Schleswig-Holstein mit einer linken SPD und einer eher rechten CDU, die sich allerdings unter Daniel Günther gewandelt, modernisiert hat. Also: Ja, Parteien sind wichtig, aber sie müssen auch Lösungen für die Sorgen der Menschen finden.

Dabei fehlen politische Visionen. Trauen die Parteien sich den großen Wurf nicht zu?

Christian Martin

52, ist Politikwissenschaftler an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Seine Schwerpunkte sind unter anderem Wahl- und Parteienforschung.

Man kann das große Rad drehen und daran erinnern, dass das Fehlen solcher Zukunftsbilder ein Zeichen der Spätmoderne ist. Doch wenn in der Gesellschaft diese Vorstellungen fehlen, können die Parteien sie nicht liefern. Wer heute auf Pateitage geht, hört, was für ein breites Themenspektrum die Menschen für wichtig halten. Es geht um die Bewältigung des Alltags und einen Ausblick in die Zukunft, so gut das geht bei fünfjährigen Regierungszyklen.

Jamaika hat gut funktioniert, trotz der Unterschiede der Parteien. Ist das das richtige Konzept, seine Differenzen nach außen zu zeigen und den gewählten Kurs durchzuhalten?

In den Augen der WählerInnen durchaus. Ja, man hätte für Bildung oder Klima mehr machen können, aber die Koalition hat verstanden, dass sie die Menschen nicht überfordern darf. Schleswig-Holstein ist ein Flächenland und vergleichsweise arm. Man stößt an die Grenzen dessen, was möglich ist – etwa bei Alternativen zum eigenen Auto. Die drei Parteien haben ihre Linie gut erklärt. Das passt zu der Erzählung, dass die Beteiligten vor allem nach Lösungen suchen.

Im Saarland hat offenbar die Person der SPD-Kandidatin eine große Rolle gespielt. SPD-Spitzenmann Thomas Losse-Müller ist weitgehend unbekannt – anders als die Grüne Monika Heinold. Könnte ihr der Einzug in die Staatskanzlei gelingen?

Das geben die Umfragen aktuell nicht her. Aber die Grünen sind stark. Vielleicht reicht es ja, wenn eine dritte Partei dazu kommt. Nicht zu vergessen, im Kieler Landtag sitzt auf jeden Fall auch die Minderheitenpartei SSW. Ich erwarte, wie oft in Schleswig-Holstein, eine spannende Regierungsbildung.

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