Politologe über Argentiniens Präsidenten: „Trump ist für ihn ein Problem“
Der US-Präsident ist ein alter Geschäftsfreund Mauricio Macris, wirtschaftspolitisch eint sie jedoch wenig. Zur Führungsfigur taugt Macri nicht, sagt Alejandro Frenkel.
taz: Herr Frenkel, der Amerikaner Donald Trump und der Argentinier Mauricio Macri treffen sich am Donnerstag zum ersten Mal als Präsidenten in Washington. Beide kennen sich schon lange, sind Unternehmer, ticken entsprechend ähnlich. Das klingt nach einem Selbstläufer.
Alejandro Frenkel: Das sollte man meinen. Aber Trumps Protektionismus ist nicht kompatibel mit Macris Politik der Liberalisierung und Weltmarktöffnung. Und Trump ist für Macri nicht nur ein wirtschaftliches Problem, sondern auch ein politisches. Nach den ruppigen Jahren der Kirchner-Ära setzte Macri unter Trumps Vorgänger Barack Obama auf eine Annäherung an die USA. Argentinien sollte als Modell für die Region erscheinen und für die USA, aber auch die Europäische Union als der beste hiesige Ansprechpartner gelten. Mit Hillary Clinton wollte Macri diesen Kurs fortsetzen. Aber ein in Lateinamerika so ungeliebter US-Präsident wie Trump stellt für dieses Vorhaben ein ernsthaftes Problem dar.
Strebt Macri nach der Führungsposition in Lateinamerika?
Auch wenn der Kontinent sich politisch nach rechts gedreht hat, sehe ich Macri nicht als Leader. Zwar ist Brasilien gegenwärtig ganz mit sich selbst beschäftigt und Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto geht auf das Ende seiner Amtszeit zu, aber die Differenzen in der Region sind zu groß – und auf der Gegenseite stehen noch immer Venezuela, Ecuador und Bolivien. Lateinamerika ist sehr komplex und hatte nie eine einzige Führungsperson. Das schafften weder Lula da Silva noch Hugo Chávez noch Néstor Kirchner. Und Macri hat nicht annähernd so viel Charisma wie einer von diesen dreien.
Was also möchte Macri von Trump?
Handelserleichterungen. Dazu zwei Beispiele. Seit über 15 Jahre dürfen argentinische Zitronen nicht auf dem US-Markt verkauft werden. Obama hatte dies am Ende seiner Amtszeit gerade noch genehmigt, aber Trump hat es sofort wieder gestrichen. Und erst vor wenigen Tagen ließ er über Biodiesel aus Argentinien ein US-Importverbot verhängen, wegen angeblicher Dumpingpreise. Vor allem letzteres trifft Argentiniens Agrobusiness hart. Zudem möchte Macri am liebsten mit einem großen Sack voll US-Investitionen zurückkommen, etwa für die Ausbeutung der nicht-konventionellen Öl- und Gasvorkommen in Patagonien.
Alejandro Frenkel (33) ist Politologe an der Universität von Buenos Aires und Doktorand des staatlichen Forschungsrates Conicet.
Trumps Protektionismus trifft die gesamte Region. Deshalb haben die Mitgliedstaaten der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur und der Pazifikallianz eine Annäherung ihrer beiden Blöcke beschlossen. Kann das gelingen?
Trump hat zuerst das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA auf den Prüfstand gestellt und dann das Transpazifische Freihandelsabkommen TPP vom Tisch gewischt. Das erste ging gegen Mexiko, das zweite war ein schwerer Schlag für die Pazifikallianz. Notgedrungen streben sie jetzt eine eher regionale Ausrichtung an und treffen dabei mit den liberalisierungswilligen Regierungen der Mercosurstaaten zusammen. Beide Blöcke sind in Alter und Charakter jedoch sehr verschieden.
Was heißt das?
Der Mercosur ist 26 Jahre alt, die Pazifikallianz gerade sechs. Der Mercosur wurde zum Aufbau eines gemeinsamen regionalen Marktes von Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay gegründet, der als Block gegenüber anderen Blöcken auftreten sollte. Dagegen ist die Pazifikallianz bestehend aus Mexiko, Kolumbien, Peru und Chile kaum mehr als eine Plattform zur Exportförderung und Investitionssuche. Der Mercosur hat zudem eine politische und eine soziale Komponente, die der Pazifikallianz gänzlich fehlen. Solange also beide Blöcke ihre Strukturen nicht grundlegend ändern, bleibt ein Zusammengehen reine Wunschvorstellung.
Gilt das auch für die Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und dem Mercosur über ein Handelsabkommen?
Mercosur und EU verhandeln mit Unterbrechungen schon seit 1995. Damals strebten die USA die gesamtamerikanische Freihandelszone ALCA an und die EU lief Gefahr, außen vor zu bleiben. Seit ALCA vom Tisch ist, hat der Verhandlungsdrang der EU stark nachgelassen. Erst vor kurzem wurden die Gespräche wieder aktiviert. Jenseits aller Good-Will-Rhetorik der Staats- und Regierungschefs war und ist das Hauptschwierigkeit, sich über den Zugang von Agrarprodukten in die EU zu einigen. Hier liegt der Ball eindeutig in Europa. Zugleich hat der für die EU am lukrativsten erscheinende brasilianische Markt wegen der tiefen Wirtschaftskrise erheblich an Anziehungskraft verloren.
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