Politische Reaktionen über Kachowka-Damm: Entsetzen und Zweifel
Als Kriegsverbrechen bezeichnet EU-Ratspräsident Michel die Sprengung. Bundeskanzler Scholz spricht von einer neuen Dimension. Die Linke zweifelt.
Die Ukraine und der Westen machen Russland für die Sprengung des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine verantwortlich. Bundeskanzler Olaf Scholz, SPD, sprach beim WDR-Europaforum von einer „neuen Dimension“ und warf Russland vor, in dem seit mehr als 15 Monaten dauernden Angriffskrieg gegen das Nachbarland immer stärker zivile Ziele anzugreifen. Die Sprengung des Staudamms reihe sich ein „in viele, viele der Verbrechen, die wir in der Ukraine gesehen haben, die von russischen Soldaten ausgegangen sind“, sagte der Kanzler.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hielt Russland vor, Tausende Zivilisten zu gefährden und schwere Umweltschäden in Kauf zu nehmen. EU-Ratspräsident Charles Michel nannte die Zerstörung ziviler Infrastruktur auf Twitter ein Kriegsverbrechen, für das man Russland und seine Vertreter zur Verantwortung ziehen werde. Die Ukraine selbst warf Russland Staatsterrorismus vor.
Russland hingegen weist alle Anschuldigungen zurück und macht die Ukraine für die Sprengung und die Überflutung ihres Staatsgebiets verantwortlich. Ukrainische Truppen hätten den Staudamm und das angrenzende Wasserkraftwerk beschossen und so zerstört. Es handle sich hier eindeutig um eine vorsätzliche Sabotage, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow.
Linken-Politiker warnt vor Vorverurteilung
Eine kaum nachvollziehbare Behauptung, die aber auch im Westen auf Widerhall stößt. So findet es die Europaabgeordnete der Linkspartei, Özlem Alev Demirel, interessant, wenn Ratspräsident Michel schon den Schuldigen ausmache. „Hier wurde auch die Wasserversorgung der Krim gesichert“, schreibt Demirel auf Twitter. Und: „Bisher werfen sich Russland und die Ukraine gegenseitig die Verantwortung vor.“
Der SPD-Außenexperte Nils Schmid sieht dagegen eine eindeutige Motivlage auf russischer Seite. „Es ist naheliegend, dass Russland den Damm gesprengt hat“, sagte Schmid und verwies auf Berichte über eine Verminung des Damms im vergangenen Jahr durch russische Truppen. „Wir wissen mittlerweile, dass Russland vor keinem Kriegsverbrechen zurückschreckt.“ Mit der Attacke auf zivile Infrastruktur, die nun gezielt als Waffe eingesetzt werde, um Gebiete zu überfluten und Menschen zu vertreiben, sieht er nun ebenfalls eine neue Dimension von Kriegsverbrechen erreicht, deren „strafrechtliche Aufarbeitung ganz oben auf der Liste des internationalen Strafgerichtshof stehen muss“. Wie auch Scholz hält Schmid die weitere Unterstützung der Ukraine militärisch, wirtschaftlich und humanitär für notwendig.
Dass mit der Staudammsprengung nun ein neues Kapitel für einen möglichen Nato-Beitritt der Ukraine aufgemacht wird, glaubt der SPD-Außenexperte indes nicht. Es gehe jetzt um Unterstützung und nicht um die baldige Einleitung eines Nato-Beitritts.
Genau den fordert der ukrainische Präsident Selenski. Vor einer Woche drängte er bei dem Treffen von rund 50 europäischen Staatschef:innen auf eine rasche Entscheidung, möglichst schon beim Nato-Gipfel am 11. und 12. Juli in Vilnius.
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