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Politikkrise in BrasilienDie große Verbrüderung

Dilma Roussef wäre nicht die Erste: 1992 wurde in Brasilien erstmals ein Präsident seines Amts enthoben. Astrid Prange war für die taz vor Ort.

Der frühere brasilianische Präsident Fernando Collor de Mellor im Jahr 2012, als er für die Organisation des Erdgipfels von Rio geehrt wurde Foto: dpa

Bonn taz Historisch. Erhebend. Demokratisch. Am 29. September 1992 schrieb Brasilien Geschichte. Zum ersten Mal in der Historie des Landes zwang eine Korruptionsaffäre den Präsidenten, den Regierungspalast vorzeitig zu verlassen. Mit einer überwältigenden Mehrheit von 441 der 480 Abgeordneten stimmte das brasilianische Parlament für ein Amtsenthebungsverfahren gegen den damaligen Präsidenten Fernando Collor de Mello.

Wie unter Starkstrom berichtete ich über diesen historischen Augenblick. 1992 war das Jahr überhaupt für Brasilien. Im Juni fand der Erdgipfel von Rio statt, die UN-Klimakonferenz, auf der sich erstmals die Weltgemeinschaft zum gemeinsamen Klimaschutz verpflichtete.

Und drei Monate später diese Abstimmung. Den meisten Lateinamerikanern saßen noch die politische Willkür und Verfolgung der Militärdiktatur in den Knochen. Präsident Fernando Collor de Mello war der erste demokratisch gewählte Präsident nach über 20 Jahren Militärdiktatur. Ausgerechnet er sollte zum Rücktritt gezwungen werden?

Bei der Abstimmung im Parlament spürte ich diese Angst, obwohl kein einziger Abgeordneter es auch nur wagte, sie öffentlich auszusprechen. Ganz Lateinamerika starrte gebannt auf die Hauptstadt Brasilia. Wenn es dort möglich war, korrupte Politiker auf demokratischem Wege ihres Amtes zu entheben, warum sollte dies woanders nicht auch möglich sein?

Ja, es war möglich. Und ich gebe zu, es fiel mir schwer, meine journalistische Distanz zu bewahren. Ich war begeistert von der bestandenen demokratischen Reifeprüfung, von der demokratischen Lektion, die Brasilien der Welt erteilte.

Doch Amtsvergehen ist nicht gleich Amtsvergehen. Das 1992 erfolgreich genutzte Verfahren kann politisch missbraucht werden. Der Kampf gegen Korruption wird in Brasilien zurzeit je nach Parteizugehörigkeit nach anderen Kriterien ausgetragen.

Nach der Abstimmung am 1992 fielen sich im Plenarsaal alle um den Hals, Politiker, Journalisten, sogar das Sicherheitspersonal und die Reinigungsfrauen umarmten sich. Am 17. April 2016 blieb diese Verbrüderung aus.

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2 Kommentare

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  • Warum blieb diese Verbrüderung aus? Weil die Präsidentin, die Amts enthoben wird, nicht korrupt ist - im Gegensatz zu Color de Melo, der folgerichtig um der Strafverfolgung zu entfliehen nach Miami floh. Die USA als sicherer Hafen für korrupte lateinamerikanische Präsidenten. Wohin will Dilma fliehen: nirgendwo hin. Sie wird ja auch gar nicht angeklagt und müsste auch nicht mit einer Gefängnisstrafe rechnen. Der Vergleich mit Collor de Mello ist grundsätzlich falsch und irreführend. Stattdessen wäre hier eine klare Analyse von heute aufschlussreicher.

    • @Henning Lilge:

      Richtig gesagt, der Artikel ist inhaltlich irreführend. "Amtsvergehen ist nicht gleich Amtsvergehen" aber es wird hier nichts inhaltliches von keiner der beiden Verfahren erzählt...