Politiker an der Universität: Kevin Kühnert hat Glück gehabt
Juso-Chef Kevin Kühnert durfte an der Uni Hamburg auftreten, FDP-Chef Christian Lindner nicht. Die Uni sagt, das liege an neuen Regeln.
„Die Causa Lucke spielt auch eine Rolle“, sagt Jonas Bayer von der Gruppe. Doch was den liberalen Nachwuchs auf die Straße brachte – in übersichtlicher Zahl, es kamen zwölf Leute –, war, dass die Univerwaltung ihre für den 11. November geplante Diskussion mit FDP-Bundeschef Christian Lindner verbot.
Dabei durfte Juso-Chef Kevin Kühnert am 15. Januar im Uni-Rechtshaus sprechen. Und die Linken-Bundestagsabgeordnete Sarah Wagenknecht war erst am Montag im Uni-Hauptgebäude zu Gast, moderiert vom Volkswirt und Linken-Politiker Fabio De Masi.
Die Absage erzürnte auch FDP-Chef Lindner selbst, schlug hohe Wellen und wurde, vermischt mit der Lucke-Sache, sogar im Bundestag diskutiert. Wenn Wagenknecht einen Vortrag halten dürfe, er aber nicht, sei das „Willkür, für die am Ende eine grüne Senatorin als Aufsicht über die Hochschule die Verantwortung trägt“, polterte er via Bild.
Fegebank unter Druck
Und in einem im Netz veröffentlichten Brief forderte er die grüne Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank auf, dafür zu sorgen, dass auch die Uni Hamburg „wieder zum Ort des lebendigen politischen Meinungsaustauschs“ werde.
Fegebank war wegen ihrer sanften Reaktion auf die Anti-Lucke-Proteste ohnehin unter Druck geraten und gab am Mittwoch in der Bürgerschaft ein scharfes Statement ab: Den Professor nicht reden zu lassen, sei „Unrecht in seiner reinsten Form“. Und auch zu den Reden von Berufspolitikerinnen an der Uni hatte sie eine Meinung: Die Uni müsse neutral sein und es dürfe nicht der Eindruck entstehen, „dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird“.
Werde es auch nicht, erklärte Uni-Sprecherin Merel Neuheuser und verwies schlicht auf die gültigen „Raumvergabebestimmungen“. Den Antrag für den Lindner-Auftritt habe die zuständige Stelle „routinemäßig“ abgelehnt, da die Raumvergabe für Veranstaltungen mit „parteipolitischer Ausrichtung“ ausgeschlossen sei.
Der Abend mit Wagenknecht über „Modern Money Theory in Ökonomie, Gesellschaft und Politik“ sei hingegen als wissenschaftliche Veranstaltung vom studentischen „Arbeitskreis Plurale Ökonomik“ angemeldet worden. Und jener Termin mit Kevin Kühnert sei „nicht durch die Universität genehmigt“.
Kalkulierter Eklat?
Im Netz wurde gar spekuliert, ob der FDP-Chef einen Eklat kalkuliert habe. Auch die FDP und ihre Hochschulgruppe kenne doch die Gepflogenheiten, lästerte der frühere FDP-Politiker Najib Karim auf Facebook. Mit wissenschaftlichem Titel und einem zweiten Diskutanten wäre die Sache „reibungslos über die Bühne gelaufen“. Doch so hätte Lindner weder so viel Aufmerksamkeit generiert, „noch bei empörten Wutbürgern fischen können“.
Lindner selber ist Politologe und erklärte zur Wagenknecht-Erlaubnis: „Wenn das die Begründung ist, dann halte ich auch einen wissenschaftlichen Vortrag.“ Er habe an Dutzenden Veranstaltungen dieser Art an Unis teilgenommen, es habe vereinzelt Probleme gegeben, doch nicht wie in Hamburg.
„Ich fände es gut, wenn man Herrn Lindner an die Uni zur Diskussion einlädt, das gehört zum fairen Meinungsstreit dazu“, meint Olcay Aydik von der Juso-Hochschulgruppe. Die Einladung an Kevin Kühnert am 15. Januar sei eine „themengebundene Veranstaltung“ gewesen unter dem Titel: „Wofür sollten Studierende kämpfen?“ Die Hochschulgruppe habe dies mit der Verwaltung „abgeklärt“ und sogar Mikros bekommen.
Fegebank muss in Sondersitzung
Gab es nun eine Erlaubnis der Uni oder nicht? Danach gefragt, erklärte die Uni-Sprecherin, „die eingegrenzten Vergabemöglichkeiten sind erst seit Mai 2019 in Kraft“. Der Kühnert-Abend sei ja im Januar gewesen. Demnach hat der Juso-Chef offenbar einfach Glück gehabt.
Aydik fände es falsch, wenn künftig keine Parteipolitiker auftreten dürften. Das politisch demokratische Gespräch gehöre an die Uni. „Dafür hat die grüne Senatorin zu sorgen.“
Fegebank soll sich nun in einer Sondersitzung des Wissenschaftsausschusses äußern, gemeinsam mit Uni-Präsident Dieter Lenzen. Das beantragten Grüne und SPD – nachdem CDU und FDP es forderten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern