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Politik der HautfarbeUnsere Körper, eure Komplizen

Privileg bedeutet, neben Schwarzen Körpern eher davonzukommen. Diskriminierung findet dennoch statt. Über die Funktion von Vorzeigeminderheiten.

„Du sollst nicht schwarz werden, sagt sie“ Foto: Loïc Fürhoff/Unsplash

D u sollst weiß bleiben. Im Sommer brennt die Sonne sich ihren Weg durch die Smogschwaden. Ich will raus, vielleicht eine Runde durch das klimatisierte Einkaufszentrum spazieren. Ich gehe aus der Wohnung und drücke das schwere, dunkelgrüne Metalltor in den Hof.

„Halt!“, Ayi eilt mir hinterher. Sie fuchtelt mit einem Schirm, er ist rosa und mit Spitze verziert. Er würde als Unterwäsche mehr Sinn ergeben, aber vielleicht ist es sein Zweck, so auszusehen wie Unterwäsche an einem Stock. Ich habe Sonnencreme aufgetragen, aber weiß, dass ich diesen Kampf verlieren werde. Ayi drückt mir den aufgespannten Schirm in die Hand. „Du sollst nicht schwarz werden“, sagt sie.

Du sollst noch weißer werden und dafür bezahlen. Ich soll einen Schirm tragen, um nicht schwarz zu werden, und in der Drogerie stehen Regale voller Whitening-Cremes. Weil wir schon relativ weiß sind, ja, aber noch nicht weiß genug und vielleicht sogar ein bisschen zu gelb. Über das zarte Gesicht meiner Cousine legen sich Smartphonefilter, die ihre Haut noch weißer machen. Die Cremes versprechen mehr als Schönheit, sie versprechen Wohlstand, Luxus, ein Stückchen Macht.

Weiß ist, wer im klimatisierten Auto in die klimatisierte Tiefgarage eines klimatisierten Einkaufszentrums fahren kann. Wer dunkel ist, hat in der Regel kein Auto, wer dunkel ist, dessen Haut wurde von der Sonne auf dem Feld verbrannt, wer dunkel ist, hat den Aufstieg verpasst. Wer es sich leisten kann, wird hell. Wer hell ist, hat es geschafft.

So weiß, wie man mich braucht

Du sollst so weiß sein, wie wir dich brauchen. Ich bin nicht Schwarz. Ich werde niemals Schwarz sein, egal wie lange ich in der Sonne stehe. Ich dachte sehr lange, ich sei weiß, also deutsch, also eine von allen, das war irgendwie alles das Gleiche. Ich habe erst später verstanden, dass ich immer so weiß bin, wie man mich gerade braucht.

Das Spektrum reicht von „Wir sind doch alle gleich“ über „Deine Haut ist ja gar nicht so gelb“ bis hin zu „Gut, dass du gemischt bist“. Weiße Haut ist relativ, solange du nicht Schwarz bist. Weiße Haut wird angemalt, wie es gefällt: gelb, orange, braun, schwarz. Angemalte weiße Haut, wie eine Verkleidung. Asiatische Körper sollen devot sein, schwach, widerstandslos, abhängig. Unsere Körper, eure Komplizen. Unsere Körper, eure Ablassscheine.

Was ist die Funktion einer Vorzeigeminderheit? Der Trick ist, die Balance zu halten zwischen Strenge, Anerkennung und Angst. Eine Vorzeigeminderheit soll glauben, dass sie es schaffen kann: Dazugehören – fast. Eine Vorzeigeminderheit nimmt zu viel hin, weil sie ihr Privileg nicht verlieren will.

Privileg bedeutet, neben Schwarzen Körpern eher davonzukommen. Eine Vorzeigeminderheit musste viel aushalten, betäubt von Opium seit 1839, beworfen mit Molotowcocktails 1992, überschüttet mit Desinfektionsmitteln 2020. Eine Vorzeigeminderheit nimmt den Platz, der ihr zugeteilt wurde. Eine Vorzeigeminderheit erhält das System.

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Lin Hierse
taz-Redakteurin
Lin Hierse ist Redakteurin der wochentaz und Schriftstellerin. Nach ihrem Debüt "Wovon wir träumen" (2022) erschien im August ihr zweiter Roman "Das Verschwinden der Welt" im Piper Verlag. Foto: Amelie Kahn-Ackermann
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5 Kommentare

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  • Nicht zu vergessen der Hass, der in Medien über den Staaten/Regierungen Asiens ausgekübelt wird, sobald sie nicht auf der Linie "des Westens" liegen: China natürlich, Vietnam, Myanmar, Kambodscha ...



    Im 19. Jahrhundert wurden Afrikaner mit Feuer und Schwert zum Christentum bekehrt, jetzt sollen Asiaten am westlichem politischen "Vorbild" genesen.



    Das ist genauso Rasissmus.

  • Mir ist nicht klar, ob das mit dem Schirm in Deutschland oder China war, aber sowohl in China, als auch in Japan, lauf ich als Weißer ganz entspannt durch die Zollkontrolle, Schwarze können sich da eigentlich immer auf Kontrollen einstellen, zumindest hab ich das so erlebt.

    Die Vorurteile gibt es da auch, eine Kollegin, Eltern aus Eritrea, hat mir das in Shenzen mal demonstriert, laufen wir hier zusammen durch, lassen die mich in Ruhe, alleine nicht.

    • @Sven Günther:

      Den Wunsch, so weiß wie möglich zu sein, gibt es auf der ganzen Welt und das ist ja das perfide daran. Überall wird Menschen, die nicht europäisch aussehen, versprochen, dass sie glücklicher und erfolgreicher sind, wenn sie versuchen, es doch so gut wie möglich zu tun. Haut bleichen, Haare glätten, ein endloser Markt ist das, und so, wie Frauen nie dünn und haarlos genug sein können, können auch hier alle, die mitmachen, nur verlieren. Dass das inzwischen auch dort viele verinnerlicht haben und an ihre inder weitergeben, heißt ja nicht, dass es nicht von uns Europäern mal etabliert wurde und durch unsere Dominanz aufrecht erhalten wird.

      • @Maike Lala:

        Sind Sie sich sicher, dass Sie sich nicht in antirassistischen Klischees verrennen?

        Frau Hierse hat oben beschrieben, was man in China mit "schwarz" und "weiß" assoziiert.

        Europäischsein zählt offenbar nicht darunter. China ist eben doch nicht "überall".

        Weiße Haut als Schönheitsideal ist in China älter als der Kolonialismus. Eventuell haben Sie Europäer dieses Ideal gar nicht etabliert.

        Dann wird es möglicherweise auch nicht durch Ihre Dominanz aufrechterhalten, sondern ist eine chinesische Tradition.

      • @Maike Lala:

        Das hat dort nicht viel mit Europäern zu tun, weiße Haut ist da ein jahrhundertealtes Statussymbol, weiße Haut symbolisiert, das man nicht draußen arbeiten muss. Das japanische Wort Bihaku, für beautifully white als Teint gibt es seit über 1000 Jahren.

        Altes chinesisches Sprichwort, yi bai zhe san chou, etwas frei übersetzt, ein weißer Teint ist stark genug 7 Fehler zu verbergen.