Polit-Forderungen der Berliner Clubszene: Gegen Bierbikes. Für geplantes Chaos
Die Club Commission, die Lobby der Berliner Clubkultur, feiert Jubiläum. Und pünktlich zur Wahl formuliert sie politische Forderungen.
Die Anarchie der Nacht hat eine Lobby: die Berliner Club Commission. Die Interessenvertretung der hiesigen PartybetreiberInnen wurde vor 15 Jahren gegründet. Sie nimmt das zum Anlass, sich ordentlich selbst zu feiern. Und weil in diesem Jahr auch noch Wahl ist, verbinden die sieben MitarbeiterInnen die Sause mit politischen Forderungen.
Lutz Leichsenring, Sprecher der Commission, stellt sie am Dienstag vor. Wie so viele Menschen aus dem Kulturbereich wünschen sich auch die Partypeople einen richtigen Senator allein für sich: „Berlin braucht einen Kultursenator“, erklärt Leichsenring. Bisher ist das der Regierende Bürgermeister in Personalunion – und der würde wohl von jedem Türsteher abgewiesen werden.
Erste Amtshandlung des künftigen Kulturchefs sollte sein, den ebenfalls noch nicht existierenden „Masterplan Musik“ umzusetzen, so Leichsenring. Dieser soll „Chancen und Potenzial der Hoch- und Subkultur erkennen“, heißt es in dem Forderungskatalog. Sprich: Die Kreativwirtschaft soll zum Beispiel mit der nicht gerade für ihre Nachschwärmerqualitäten bekannte Industrie- und Handelskammer (IHK) reden. So richtig groovt das ja nicht – aber es geht ja um Politik und die Vertretung der zum Teil auch wirtschaftlichen Interessen der rund 170 Mitglieder der Club Commission.
Und die haben ganz reale Sorgen: Standortsicherung, Immissionsschutz und Gesundheitsprävention. So wünscht sich Leichsenring von der nächsten Landesregierung endlich die Einführung eines staatlich finanzierten Drugcheckings als Service für ClubbesucherInnen.
Und dann gibt es da noch die Feindbilder, jenseits von lärmüberempfindlichen NachbarInnen und übereifrigen BehördenmitarbeiterInnen. „Clubkultur hat für uns nichts mit Bierbikes zu tun“, so Leichsenring. Diese dem klassischen Drogenkonsum huldigenden Fahrzeuge mit angetrunkenen Jungmännern finden die Oberclubber so furchtbar, dass sie eine Stickerkampagne entworfen haben (s. Abbildung). Sie soll auf das Selbstverständnis der Clubszene aufmerksam machen.
Überhaupt Aufklärung: BerlinerInnen wird künftig bei einer „Clubkultour“ die Geschichte der vielschichtigen Szene nahegebracht. „Viele der Clubs sind nach der Wende als Zwischennutzer entstanden. Sie schaffen einen Zeitpuffer, bis der kulturelle Wert ihres Ortes erkannt wird“, erklärt Commission-Vorstand Eberhard Elfert. „Am Ende geht es dann oft um Denkmalschutz.“
Lässt sich Anarchie bewahren? Der Verein hat auch das Projekt „geplantes Chaos“ initiiert. Dabei sollen genehmigte Orte für spontane Open-Airs entstehen. Um den anarchistischen Strukturen illegaler Raves entgegenzutreten und Ordnung in das Chaos zu bringen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“