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PolenPolizei stürmt abtrünniges Kloster

Ein Nonnenkloster im Süden des Landes sorgt für Furore, weil der Mutter Oberin der Heilige Geist erscheint.

Polizisten eskortieren eine Nonne aus dem Kloster Bild: rtr

WARSCHAU taz Für den Vatikan war die Sache schon vor zwei Jahren klar: Im südpolnischen Kazimierz Dolny waren die Nonnen des Bethanien-Ordens vom rechten Glauben abgekommen. Die Mutter Oberin gab an, dass sie seit einiger Zeit in direktem Kontakt mit dem Heiligen Geist stehe und künftig dessen Anweisungen befolgen werde. Alle Appelle des Papstes an ihr Gehorsamsgelübde gegenüber den Vorgesetzten in der Kirchenhierarchie halfen nichts. Das Kloster revoltierte geschlossen gegen Erzbischof und Papst.

Rund 150 Polizisten stürmten am Mittwoch das Nonnenkloster, führten einen ehemaligen Franziskanermönch in Handschellen ab und brachten eine junge Frau mit ihrem Baby ins Krankenhaus. Auf die über 60 Frauen, die zwar noch ihren Habit trugen, aber vom Papst wieder in den weltlichen Stand zurückversetzt worden waren, warteten Familienangehörige vor dem Kloster. Ältere Exnonnen ohne Familie wurden mit Bussen abtransportiert. In Exerzitienhäusern der Lubliner Erzdiözese sollen sie "zurück ins Leben finden", wie ein Priester erklärte.

Der Konflikt zwischen dem Nonnenkloster und dem Vatikan eskalierte im August 2005, als Papst Benedikt XVI. die charismatische Jadwiga Ligocka als Ordensmutter abberief und Barbara Robak als neue Oberin einsetzte. Die meisten Nonnen verweigerten den Gehorsam, verbarrikadierten sich im Kloster und ließen die neue Oberin vor dem Tor stehen. Sie glauben ihrer bisherigen Ordensmutter, dass diese in direktem Kontakt mit dem Heiligen Geist stehe und von ihm Anweisungen für ein gottesfürchtiges Leben erhielt. Nur wenige Nonnen verließen damals Kazimierz Dolny.

Als der Vatikan alle aufständischen Nonnen sowie den Franziskanermönch, der sich den Nonnen angeschlossen hatte, zurück in den weltlichen Stand versetzte, legte keiner von ihnen den Ordenshabit ab. Schließlich ordnete das Gericht die Räumung des Klosters an. Doch der erste Termin am 4. September 2007 verstrich, ohne dass etwas geschah. Der Bethanien-Orden hatte die Kosten in Höhe von umgerechnet 15.000 Euro für den Gerichtsvollzieher, die Polizisten, Ärzte und Psychologen nicht bezahlt hat. Gas und Strom wurden abgestellt.

Nun verwandelten die Exnonnen das Kloster in eine Festung, vernagelten einige Fenster mit Holzlatten, streuten Glassplitter auf dem Rasen aus. Einige Familienangehörige brachten im Schutz der Nacht Lebensmittel und Artikel des täglichen Bedarfs vorbei. Doch die meisten brachen den Kontakt zu ihren Familien völlig ab.

Als die Polizei das Kloster stürmte, saßen die Exnonnen friedlich beisammen und sangen christliche Lieder. "Gott hat mich zur Nonne berufen", erklärte eine junge Frau. "Ich diene ihm, nicht dem Erzbischof oder dem Papst." Ewa Czaczkowska, eine Kirchenexpertin, erklärte, dass der Vatikan nur selten Marien- oder Jesus-Erscheinungen anerkenne. "Eine solche Revolte hat die katholische Kirche Polens noch nicht erlebt. Auf die einstigen Nonnen wartet nun eine lange psychotherapeutische Behandlung".

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7 Kommentare

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  • M
    Manne

    Polen 2007: Hitlerjunge Benedikt räumt auf.

    So könnte man den Artikel auch überschreiben. Wäre was für Titanic.

    Ansonsten finde ich es toll, daß der Papst in Polen Regierungschef geworden ist und solche Anweisungen geben kann. Bald werden hoffentlich auch andere gotteslästerliche Festungen gestürmt.

  • BA
    Björn Albers

    Es ist doch immer wieder interessant was die Kirche so in Bewegung setzt wenn ihre Anhänger sich verändern wollen. Schon Martin Luther hat man für Vogelfrei erklärt und jetzt schickt man sogar die Polizei auf irgendwelche Nonnen.

  • M
    Muffin

    Was soll man da noch sagen? Wenn zwei Spinner (bzw. Gruppen von Spinnern) sich gegenseitig ihre Spinnereien vorwerfen, kann man eigentlich nur lachen. Wenn sie sich gegenseitig bekriegen und einander das Leben schwer machen, kann man nur den Kopf schütteln und weggehen. Aber wenn der Staat in derlei Konflikte eingreift, wird das Ganze schon sehr bedenklich.

     

    Dabei denke ich gar nicht unbedingt an die Zwangsräumung des Klosters: die mag ja durchaus aus rein säkularen Gründen stattgefunden haben, da das Eigentumsrecht an diesem Kloster ja höchstwahrscheinlich bei der Kirche liegt. Aber psychotherapeutische Behandlung? Sollen die Nonnen nun mit staatlicher Hilfe für ihre Häresie bestraft werden, indem man sie in Irrenanstalten zwangseinweist?

     

    Wer weiß; vielleicht geht es auch nur darum, Leuten, die einer Extremsituation ausgesetzt waren, psychischen Beistand zu spenden. Aber wenn es direkt auf das Abkarren abtrünniger Nonnen in Handschellen folgt, nachdem diese sich den Weisungen des Vatikan widersetzt haben, dann hinterläßt es in einem erzkatholischen Land wie Polen einen schlechten Geschmack im Mund.

  • AB
    alisia berndt

    hä?

    wieso abtrünnig - sie glauben doch.

    wieso psychotherapie - sie glauben doch

     

    wenn interessiert denn und wer braucht vor allem den papst, wenn keine glaubensfragen offen sind? den diese frauen haben keine fragen: sie sind sich sicher, wie übrigends der eine mit dem kreuz auf dem buggel sich ja auch seicher war.

    alles gut. machen wir uns also mehr sorgen, um die welche unsicheren sind.

  • ML
    Manfred Leickel

    ... und demnächst wird die Hexenverbrennung wieder eingeführt.

  • AJ
    Achim Jung

    "Auf die abtruennigen Nonnen wartet nun eine lange psychotherapeuthische Behandlung." Gut so, denn Vati-kan in seiner Weisheit ist sich bewusst, dass nur ein(e) Verrueckte® auf die Idee kommen kann, den Weisungen des hl. Vatis nicht zu folgen. Eine Riesenaufgabe, in Anbetracht der Millionen Protestanten, Atheisten und der unzaehligen Angehoerigen anderer Religionsgemeinschaften. Meine einzige Sorge ist, dass diejenigen, deren direkter Kontakt zum heiligen Geist oder der Jungfrau (sic!) Maria vom Vatikan anerkannt wurde immer noch frei herumlaufen. Achim Jung, Santa Monica, Kalifornien

  • S
    Schulz

    Genau das ist es, was die Kirche naenlich nicht kann: Gott befehlen, wo Gott sich aufzuhalten oder wem Gott begegnen darf! Menschenhierarchie mit Zwangsmassnahmen ist ein Kennzeichen eines in sich zerfallenen Machtapparates, welcher unglaubwuerdig ist. Hoffentlich sind es keine katholischen papst-aehnlichen Psychotherapeuten.

    Auch in Deutschland ist die Not gross, wenn innerhalb der kath. Hierarchien Menschen Veraenderung leben.