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Poker um ElbphilharmonieLetzte Chance für Hochtief

Elbphilharmonie-Baukonzern überrascht die Stadt Hamburg mit einem weitreichenden Angebot zum Weiterbau. Sollte sich hieraus kein verbindlicher Vertrag ergeben, kündigt die Stadt Ende Februar.

Jetzt soll's auf einmal doch gehen: Die Stadt Hamburg und der Baukonzern Hochtief wollen die Elbphilharmonie gemeinsam fertig bauen. Bild: dpa

Der Elbphilharmonie-Baukonzern Hochtief hat eine weitere Frist bekommen: Bis März 2013 hat die Firma Zeit, mit der Stadt Hamburg einen neuen Vertrag auszuarbeiten, für den seit Freitag ein konkretes Angebot vorliegt. Sollte das Papier bis zum 28. 2. 2013 nicht unterschrieben sein, wird der Senat dem Konzern sofort kündigen. Dies alles, sagte Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) am Samstagmittag, sei Ergebnis zäher Verhandlungen gewesen, wobei wichtige Hochtief-Zugeständnisse erst am frühen Samstagmorgen gekommen seien.

Konkret geht es um ein weitreichendes Angebot des Konzerns, der seit Baubeginn Nachforderungen stellt und den Bau zudem immer wieder stoppt. Diesmal will Hochtief nicht nur geräuschlos mit den Architekten Herzog & de Meuron kooperieren, sondern auch die Fertigstellung des Gebäudes bis Herbst 2016 zu einem neuen „Pauschalfestpreis“ von 575 Millionen Euro garantieren – 198 Millionen mehr, als zuletzt berechnet. Im Gegenzug beendet die Stadt das Beweissicherungsverfahren gegen Hochtief, sodass auf diesem Wege kein Geld mehr eingeklagt werden kann.

Hiermit werde, sagte Scholz, „der Geburtsfehler des Projekts – die Dreiecks-Konstruktion zwischen Architekten, der Stadt und Hochtief – behoben“. Im neuen Vertrag würde die Stadt als Bauherr nur noch kontrollieren, ob Hochtief vereinbarungsgemäß baue. Das hieße, dass die Stadt keine Pläne mehr liefern müsste, aber auch keine Änderungswünsche mehr anbringen könnte. Und sollte Hochtief das Gebäude nicht termingerecht fertigstellen, würde eine Vertragsstrafe von fünf Prozent des Festpreises fällig – der branchenübliche Rahmen.

Er habe sich, sagte Scholz, die Entscheidung nicht leicht gemacht und bis zuletzt ernsthaft die Alternative erwogen, die Elbphilharmonie selbst zu Ende zu bauen. Das würde genauso viel kosten, aber ein Jahr länger dauern, da die zuständige städtische Realisierungsgesellschaft dann von 25 auf 100 hoch qualifizierte Mitarbeiter aufgestockt werden müsste. Zudem sei das Angebot von Hochtief so überzeugend und die Architekten Herzog & de Meuron davon so angetan, dass man es zumindest prüfen wolle. Und allen Skeptikern rief er zu: „Wir können jederzeit raus, das habe ich sogar schriftlich von Hochtief.“

Ein baulicher Parasit

Als Parasitenbau bezeichnet man ein Gebäude, das auf ein anderes, bereits existentes aufgesetzt wird. Dies war die Grundidee der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron, als sie 2003 die Elbphilharmonie entwarfen.

Sockel des gläsernen Konzerthauses ist ein ehemaliger Kakao-Speicher aus dem Jahr 1962. Der Backsteinbau ruht auf in den Elbschlick eingelassenen Pfählen.

Statisch war die Konstruktion von Anfang an problematisch und bald nach Baubeginn mussten noch einmal doppelt so viele Pfähle zusätzlich in den Boden gerammt werden, damit der Speicher den Glaspalast trug. Hinzu kam, dass man den Aufbau aus wirtschaftlichen Gründen um zwei Stockwerke höher (und schwerer) plante als ursprünglich gedacht.

Mehrfach nachberechnet wurde die Statik des zeltförmigen Dachs, an dem der Konzertsaal hängen soll. Weil Hochtief zweifelte, wurde das Dach 13 Monate später abgesenkt als geplant.

Konkret heißt das: Hochtief hat zugesagt, eine Klausel in den Vertrag einzubauen, der zufolge die Stadt am 1. 3. 2013 fristlos kündigen und sofort auf die Baustelle kann. „Diese Sicherheit ist für mich der wichtigste Passus“, sagte Scholz am Sonnabend freudig.

Von dieser Zusage wusste Hochtief-Sprecher Bernd Pütter am Sonntag jedoch nichts. „Es ist gewährleistet, dass Hamburg aus dem Vertrag herauskommt. Ob mit Fristen oder ohne, kann ich nicht sagen“, sagte er der taz. Wichtig sei doch, „dass Hochtief aus Verantwortungsbewusstsein willens ist, die Elbphilharmonie zu Ende zu bauen. Das wurde nur möglich, weil sich beide Partner aufeinander zubewegt haben.“

Vor allem in puncto Geld ist die Stadt auf Hochtief zugegangen. Und dass der Senat dies einen Tag nach Verabschiedung des Kürzungshaushalts 2013/14 bekannt gab, hat auch schon Unmut ausgelöst: „Es ist eine Frechheit, uns so kurzfristig zu informieren und um Zustimmung zu werben,“ sagte Norbert Hackbusch, stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion.

Auch Jens Kerstan, Vorsitzender der Grünen, teilte Scholz’ Euphorie nicht. Dies sei „kein Rundum-sorglos-Paket“, er fühle sich an 2008 erinnert. Auch damals hatte die Stadt den Vertrag modifiziert und Hochtief etliche Millionen mehr zugestanden.

Hinzu kommt, dass Scholz stets gesagt hat, er werde für die Elbphilharmonie nicht mehr als die bis dato bekannten 323 Millionen Euro ausgeben. „Die nochmalige Preiserhöhung ist schlimm für die Akzeptanz demokratischer Politik“, räumte Scholz daher am Sonnabend ein. Er sehe aber keine Alternative.

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2 Kommentare

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  • MM
    Melanie M

    Scholz weiß keine Alternative. Mut zur Ruine. Macht aus dem elenden Ding doch ein Mahnmal für städtischen Größenwahn. oder besser noch. Lasst die Investoren das Luxushotel und die teueren Eigentumswohnungen zu Ende bauen.

  • HH
    Hergen Hillen

    Hier werden ohne öffentliche Diskussion, ohne jeglichen Zweifel und ohne tatsächliche Aufklärung einer maßlosen Verschwendung öffentlicher Gelder von heute auf morgen einem Baukonzern fast 200 Millionen Euro zugesagt, soll heißen: in den Rachen geschoben. Kleine Kultureinrichtungen, soziale Projekte und viele Fachbereiche an den öffentlichen Hochschulen müssen derzeit um ihre Existenz kämpfen, weil ihnen häufig nur ein Bruchteil dieser Summe fehlt oder gekürzt wird. Kaum ein Tag vergeht, an dem die Vasallen in Politik und Medien diese Kürzungen nicht als notwendiges Übel und als Opfer für künftige Generationen verkaufen. Aber wenn es um die Interessen von Konzernen, das Wohl der Eliten und die geldfressenden Leuchtturmprojekte geht, dann ist plötzlich Geld vorhanden. Dann wandelt sich die so oft beschworene Schuldenbremse zu einem hochfrisierten Rennwagen auf freier Strecke. An dieser Politik hält auch der SPD-Senat konsequent fest.

     

    Und wir müssen mal wieder erkennen, dass eigentlich genug Geld für alle da ist. Es fehlt nur der Wille, es gerecht zu verteilen