Pöbelnder Gottesmann: Der Pegida-Pastor
Genug gezündelt: Selbst die die bibeltreue „Evangelische Allianz“ kritisiert Pastor Latzel für seinen Rundumschlag gegen jede Religion, die nicht seine ist.
BREMEN | taz In einer gemeinsamen Resolution fordern die Mitarbeiter-Vertretungen der Bremer Evangelische Kirche (BEK) Konsequenzen aus den in St. Martini gehaltenen Predigten, die anderen Religionen die Existenzberechtigung absprechen. Martini-Pastor Olaf Latzel hatte sie in seiner jüngsten Predigt als „Blödsinn“, „Dreck“ und „ganz großen Mist“ gegeißelt. Als Begründung sagte er: „Ich muss den allein selig machenden Weg predigen.“
Latzel beschädige „in unerträglicher Weise das Ansehen der Kirche und ihrer Mitarbeiter“, heißt es in der Resolution „Für eine Vielfalt der Religionen und gegen Hassprediger“. Latzel „bereite den Boden für Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Gewalt“.
Auch Renke Brahms, leitender Theologe der BEK, hatte Latzels Predigt als „geistige Brandstiftung“ qualifiziert. Das ist bemerkenswert, weil gerade Brahms in den vergangenen Jahren immer wieder betonte, man müsse der Martini-Gemeinde Zeit zur Besinnung lassen und könne nur in diskreten Hintergrundgesprächen auf sie einwirken.
Anlass zu öffentlicher Kritik und Konsequenzen gegenüber Martini gibt es freilich seit Jahren, etwa durch das dort herrschende – und durchgesetzte – Kanzelverbot für Frauen. Islam und Buddhismus hat Latzel wiederholt als „Verkleidungen des Satans“ gebrandmarkt, ohne dafür wirklichen Ärger zu bekommen. Latzel weiß: „Die Hölle hat eine große Kleiderkammer“ – und die BEK-Spitze hat ein großes Bedürfnis nach Harmonie, muss man hinzufügen. Es schien, als verstecke sie sich ganz gern hinter der in der Bremer Kirchenverfassung verankerten „Glaubens- und Gewissens- und Lehrfreiheit“ der Gemeinden.
Die BEK-MitarbeiterInnen fordern von ihrer Kirchenleitung nun „mehr als ein Bekenntnis zur Vielfalt“, gegen Latzel müssten „alle disziplinarrechtlichen Mittel“ ausgeschöpft werden. Die jedoch will Brahms offenbar erst ergreifen, wenn die weltliche Justiz vorangegangen ist: Sollte sich Latzel strafbar gemacht haben, sagt Brahms, werde auch die Kirche disziplinarische Maßnahmen einleiten. Die Staatsanwaltschaft prüft derzeit, „ob der Anfangsverdacht auf Volksverhetzung oder Beschimpfung einer Religionsgemeinschaft“ vorliegt.
Die Pfarrkonferenz Bremen-Mitte will am Mittwoch vor dem Dom „für eine weltoffene Stadtgesellschaft“ demonstrieren. Deutliche Kritik an Latzel kommt nun erstmals auch von der bibeltreuen Evangelischen Allianz, der die Martini-Gemeinde angehört: Man dürfe Menschen nicht derart verletzen und vor den Kopf stoßen, sagt der Allianz-Vorsitzende Andreas Schröder, Pastor an der als evangelikal bekannten Neustädter Matthäus-Gemeinde: „Ich bin der Meinung, in dieser Weise geht das nicht.“
Andererseits erhält Latzel massive Unterstützung. Nicht nur von seinem Kirchenvorstand, der umgehend erklärte, er stehe „zu 100 Prozent hinter ihm“ – sondern auch im Netz. „Sind wir wieder soweit, dass Pastoren nicht offen den christlichen Glauben predigen können?“, fragt ein Unterstützer. Die „Hetzkampagne“ gegen Latzel sei „widerwärtig“, eine moderne Form der „Christenverfolgung“. Im Übrigen sei es „eine Schande“, meint ein anderer, „dass viele Kirchenfunktionäre ihren Glauben verraten, um ,political correct‘ den Muslimen zu gefallen“.
Latzel selbst sieht sich zu Unrecht beschuldigt. Schon während seiner Predigt hatte er gesagt: „Ich weiß genau, was jetzt kommt, nach dieser Predigt.“ Es werde wieder gesagt: „Der Latzel ist ein Scharfmacher, ein Hetzer.“ Dabei sage er nur, „was in der Bibel steht“.
In der Tat begann Latzel am 18. Januar mit der Tageslosung: Richter 6, Vers 25–32. Dort geht es um Gideons „Eifer für Gott“: Für den soll er Baals Altar niederreißen und das Bild der Aschera umhauen. Gott sei eben „ganz pingelig“, was andere Götter neben ihm angehe, erklärt Latzel seiner Gemeinde, „da muss absolute Reinheit herrschen“.
So formuliert es in der Tat auch das erste Gebot Mose. Latzel destilliert daraus einen göttlichen Zerstörungsauftrag in Bezug auf Götzenbilder: „Umhauen, verbrennen, hacken, Schnitte ziehen“ – und beginnt gleich selbst mit einer saftigen Buddha-Beleidigung, dieses „dicken, fetten Herrn“.
Die kalkulierte Provokation verschaffte Latzel einen Auftritt im Studio von „buten un binnen“. Dort durfte er dem TV-Publikum erklären, dass er sich lediglich gegen eine Vermischung der Religionen gewandt habe. In der Predigt klang das so: „Wir können keine Gemeinsamkeit mit dem Islam haben. Das ist Sünde, davon müssen wir uns reinigen.“
Christoph Auffarth, der an der Bremer Uni Religionswissenschaften lehrt, sieht Latzel „auf dem Weg aller religiösen Fundamentalisten“: „Sie bekämpfen lieber ihre eigenen Leute, als dass sie eine Verweichlichung ihres Glaubens zulassen.“
Auf ihrer Homepage ist die Martini-Gemeinde aber nun doch ein wenig zurückgerudert. Dort heißt es, „Gemeinde und Pastor stehen für eine weltoffene und freie Gesellschaft, in der alle Menschen gleich welcher Hautfarbe, Ethnie oder Religion in Frieden miteinander leben können.“ Was logisch freilich voraussetzt, dass sie auch eine Charakterisierung von Jesus beispielsweise als nichtsnutzigem Kreuzrumhänger akzeptieren würden. Würden sie das?
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