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Podiumsdiskussion zum Israel-BoykottNeues Minenfeld, alter Konflikt

An der Berliner Volksbühne wurde am Donnerstag über den Israel-Boykott der Lobby-Organisation BDS diskutiert. Eine mühselige Debatte.

Krater einer Hisbollah-Rakete, abgefeuert aus dem Libanon, eingeschlagen in Nazareth, 19. Juli 2006 Foto: ap

Immerhin, die Diskussion blieb zivilisiert. Obwohl zum Auftakt der Gesprächsreihe „Popkultur und Identität“ im Roten Salon der Berliner Volksbühne am Donnerstagabend die Debatte „Boykott der Boykotteure?“ zum Thema Israelboykott des BDS stattfand – ein Reizthema.

Neben Musikkurator Christian Morin saßen András Siebold, künstlerischer Leiter des Hamburger Theaters Kampnagel, der Autor Aram Lintzel, die Berliner Musikerin Barbara Morgenstern und der Londoner A&R-Manager Martin Goldschmidt vom Label Cooking Vinyl, der in Ramallah das Musikfestival P.M.X. organisiert, auf dem Podium.

Anlass ihres Gesprächs war die Boykott-Kampagne der Anti-Israel-Lobby BDS, die im Sommer 2017 zu Eklats bei zwei von Morin mit-geplanten Veranstaltungen in Berlin geführt hatte. Zunächst brachte BDS arabische, britische und finnische MusikerInnen dazu, dem Festival Pop-Kultur in Berlin fernzubleiben, weil auf dessen Homepage die israelische Botschaft als Partner genannt worden war (diese hatte sich an Reisekosten einer Künstlerin beteiligt).

Im Zuge dessen entschied sich die britische Künstlerin Kate Tempest, ein mit Berliner MusikerInnen arrangiertes Auftragswerk abzusagen, das sie in der Volksbühne aufführen sollte. Tempest unterstützt die Kampagne von BDS. Im Vorfeld ihres Auftritts fühlte sich die Britin durch eine spiegel.de-Kolumne von Sybille Berg beleidigt. Morin sprach von einer Spirale, die sich mittels der sozialen Medien immer weiterschrauben würde. Es gehe in der Debatte keineswegs um die Lösung des Nahostkonflikts. Jetzt käme es darauf an, Wege zu finden, um aus der Sackgasse zu kommen.

Besonders starker Druck

Dem entgegnete András Siebold, dessen Theater eng mit arabischen Künstlern zusammenarbeitet, dass der politische Konflikt im Nahen Osten in der hiesigen Kulturlandschaft immer aufgeheizter debattiert wird, selbstverständlich auch, weil Araber ihre ablehnende Haltung gegen Israel nicht verbergen, wenn sie auf die Bühne gingen, was wiederum besorgte BesucherInnen auf den Plan rufe. Kampnagel veranstaltete etwa ein Konzert mit dem Trio Joubran, drei Palästinensern aus Nazareth.

Selbst Details in der Ankündigung ihres Auftritts hätten sein Haus vor Probleme gestellt: Die Musiker wehrten sich dagegen, als Israelis bezeichnet zu werden. Siebold wies darauf hin, dass arabische Künstler bei Auftritten hierzulande „unter besonderem Druck“ stünden.

Diesen Druck spürt auch Barbara Morgenstern, die als Chorleiterin mit Kate Tempest auf der Bühne hätte stehen sollen, nur anders. Morgenstern, in deren Chor Araber und Israelis singen, fand erstaunlich, welche Mächte hinter der Boykott-Kampagne des BDS stünden und wie leicht diese „ein neues Minenfeld“ in Deutschland eröffnen konnten.

Keine Gesinnungsprüfung

Trotz allem bezeichnete Aram Lintzel den „Boykott der Boykotteure“, also die Idee, britische Künstler zu boykottieren, die den BDS unterstützen, als Schwachsinn. Er sieht auch keinen Sinn darin, diese einer Gesinnungsprüfung zu unterziehen. Man müsse die politische Auseinandersetzung suchen, um die Schlaufen zu unterbrechen.

Lintzel wies auf die doppelten Standards von BDS, wie die Organisation es vermeide, Aussagen zu Hisbollah und Hamas zu treffen. Wie sie das Existenzrecht von Israel „als Problem an sich“ ansieht. Als Einziger sprach Lintzel Antisemitismus an: die Umdeutung von Boykott durch den BDS, obwohl der Boykott jüdischer Geschäfte durch die Nazis ein Schritt Richtung Holocaust war.

Der Manager Martin Goldschmidt, der regelmäßig in die Palästinensergebiete reist und dort ein Musikfestival veranstaltet, warb darum, sich mit der palästinensischen Perspektive auseinanderzusetzen. Er sprach vom Gaza­streifen „als größtem Gefängnis der Welt“, wolle die Hoffnung auf eine Lösung des Konflikts aber nicht aufgeben. Oftmals käme diese unerwartet, siehe das Karfreitagsabkommen, das den Nordirland-Konflikt 1998 beendet habe.

Dann sagte er jedoch, wenn das Logo der israe­lischen Botschaft von der Homepage des Festivals Pop-Kultur entfernt würde, gäbe es keinen Ärger mehr. Vom common ground, dem gemeinsamen Nenner, war am Donnerstag häufig die Rede. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, wie die mühsame Debatte und ihr magerer Erkenntnisgewinn zeigten.

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8 Kommentare

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  • Man hätte ruhig mal BDS-Leute einladen sollen.

    So hat es eher was von "Herrenclub diskutiert die Frauenfrage".

    Chance vertan.

  • Für Deutsche ist es wirklich schwierig, die Politik der Regierung Israels kritisch zu betrachten und darüber zu kommunizieren.Freunde dieser Politik nutzen dann jede Gelegenheit, dich als Antisemit oder gar als Nazi zu beschimpfen. Auf der anderen Seite suchen wirkliche Antisemiten und Nazis dich für ihre Sache einzuspannen. Wer aber einmal Jerusalem und das Westjordanland besucht hat, der kann nur mit 100 rosa Brillen das Unrecht der Israelis dort zu übersehen. Auch historisch muss man sehen, dass die Juden die Palästinenser aus deren Heimat vertrieben haben. Dies war sie für beinahe 2000 Jahre. Und die Extremisten unter den Palästinenser ihrerseits vergessen auch alle Grundsätze der Menschlichkeit und Zivilisation. Es hört nicht auf: 'Der hat mir aber zuerst Unrecht angetan.' So scheint es für einen Deutschen verboten zu sein, mit einem solchen Staat Geschäfte machen zu wollen oder diese Meinung kundzutun. Mir persönlich ist die Religion oder ethnische Abstammung eigentlich egal, aber ich kann nicht über das Unrecht der Regierung Israels hinwegsehen.

    • 9G
      97796 (Profil gelöscht)
      @fvaderno:

      Das Problem (entschuldigen Sie, dass ich das anspreche) ist doch die Antwort auf die Frage: Was passiert, wenn Palästinenser ihren eigenen Staat haben? Sie selbst bestimmen können? Wird das ein Hort des Friedens, indem Juden, Christen, Homosexuelle, Atheisten etc. frei leben können? Oder eher ein weiterer islamischer Unterdrückerstaat? Ich tippe auf Letzteres. Ganz sicher sogar. Das weiß auch der verbohrteste Linke, wenn er mal den Revoluzzer ablegt und ein einziges Mal Zusammenhänge zu verstehen versucht. Die strenge Kontrolle der Palästinenser durch die Israelis ist, wenn Sie so wollen, ein rechtfertigender Notstand. Ich greife ein Rechtsgut an (Freiheit der Palästinenser) um ein anderes Höherwertigeres zu schützen (Leben aller Menschen in der Region). Danke Israel für diesen Weitblick.

      • 8G
        81331 (Profil gelöscht)
        @97796 (Profil gelöscht):

        ...und was für ein Staat ist nun Israel?

        Ein Staat der illegalen Landnahmen, oder ein Hort des Friedens? Ich tippe auf Ersteres.

        • @81331 (Profil gelöscht):

          Na ja, gilt auch für Polen, Stichwort Schlesien. Und jetzt, die Polen vertreiben?

    • @fvaderno:

      es und bleibt ein problem von christen die ihre 2000 jahrige verfolgungsgeschichte gegen juden nicht ueberweinden koennen.gerne stehen nuh dafuer die arabischischen lueckenbuesser und man kann sich selbst wieder drueber erhoehen.rosa brillen sind da nur eine metapher fuer deftigeres in richtung bds!

      sie sollten sich mal mit europaeischer verfolgungsgeschichte und progromen beschaeftigen dann wuessten sie warum es israel gibt !

  • Warum werden eigentlich nie die eigentlichen Unterdruecker im Gaza benannt?

    HAMAS und ihre Brigaden, die dort die Einwohner terrorisieren.

    In der Westbank sieht es ja auch nicht besser aus! Statt sich mit selbst erwaehlten Lorbeeren und dafuer herhaltenten Musikfestivals zu benennen sollten diese Kuratoren

    und Organisatoren kultureller Vielfalt ,die sie fuer BDS Zwecke umfunktionieren , mal die eigentlichen Agressoren benennen und boykottieren. Aber da wuerden sie wohl an dem Olivenzweig saegen auf dem sie sitzen - nicht wahr! Sie missbrauchen damit meiner Meinung nach einen sog. Kuenstlerstatus fuer Ihren eigentlichen Israelhass, denn sonst wuerden sie Hamas,PFLP und Hezbollah boykottieren oder zB mal ein Festival in Beirut organisieren...fuer die Palaestinensischen Fluechtlinge dort!

  • Diese krankhafte Fixierung auf Israel von Gruppierungen wie z.B. BDS auf Israel erinnert an dunkelste Deutsche Traditionen.

    Israel ist der einzige demokratische Rechtsstaat in dieser Region, umgeben von Tod, Terror und Diktatur.

    Das sowohl Fatah als auch Hamas ganz klar rechts der NPD stehen scheint diese Menschen derweil nicht zu stören.