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Zwei Mädchen kämpfen Judo mit Boxhandschuhen und weißen Kampfsport-Anzügen gegeneinander
Feministischer Streit braucht Wohlwohllen und Radikalität gleichzeitig Foto: Unsplash/Jyotirmoy Gupta

Podcast „Passierte Tomaten“ Kritik ist kostenloser Unterricht

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Radikal oder verständnisvoll? Über feministische Strategien lässt sich streiten. Dabei braucht es beides – und den Mut, Fehler zu machen.

Lin Hierse
Podcast
von Lin Hierse

Wie geht feministischer Streit? Eine Anleitung dafür gibt es nicht. Trotzdem scheinen wir uns – auch innerhalb der Bewegung – immer wieder uneinig darüber zu sein, wie viel Radikalität oder Wohlwollen der gemeinsamen Sache zuträglich ist.

Die Auseinandersetzung ist so alt, wie soziale und gesellschaftliche Bewegungen selbst. Bei den Suffragetten, die seit Beginn des 19. Jahrhunderts für das Wahlrecht der Frauen in Großbritannien kämpften, gab es einen militanten Flügel, der lange nicht von allen Ak­ti­vis­t*in­nen gut geheißen wurde. Heute streiten wir uns weniger um den Nutzen physischer Gewalt sondern mehr um die Art und Weise, wie feministische Kämpfe ausgetragen und Anliegen kommuniziert werden.

Ein Problem dieses Konflikts ist, dass er immer auch ausschließend wirken kann. Wer mehr oder weniger öffentlich eine Haltung einnimmt, wird schnell zur Zielscheibe. Die meisten Menschen sind geübter darin, andere zu kritisieren, als eigene Ideen einer mitunter harten Diskussion auszusetzen. Aus Angst angegriffen zu werden oder Fehler zu machen, bleiben viele – auch in feministischen Debatten – lieber still.

Kübra Gümüşay

Kübra Gümüşay, Jahrgang 1988, ist Publizistin, Feministin und Aktivistin. Sie war von 2010-2013 taz-Kolumnistin und hat bei der Netzkonferenz re:publica 2016 eine viel beachtete Rede gehalten, in der sie forderte, Liebe im Netz zu organisieren.

„Wir nehmen Forderungen von anderen auseinander, kommen aber unserer eigenen Verantwortung nicht nach“, meint Autorin und Aktivistin Kübra Gümüşay, „dabei ist Kritik kostenloser Unterricht“. Auch Sookee, Rapperin und queer-feministische Aktivistin, sieht ein Problem darin, wie wir miteinander streiten: „Es gibt so eine Geilheit darauf, Fehler an anderen zu entdecken. Das Gefühl kenne ich. Aber jemand anderen an die Wand zu reden hilft nur meinem Ego und nicht der Sache an sich“.

Sookee

Sookee, Jahrgang 1983, ist Rapperin und queer-feministische Aktivistin. Sie engagiert sich unter anderem gegen Homophobie und Sexismus im Hip-Hop und hat nach der Silvesternacht 2015 unter anderem mit Kübra den Hashtag #Ausnahmslos ins Leben gerufen, um sich gegen sexualisierte Gewalt und Rassismus auszusprechen.

Müssen wir deswegen immer verständnisvoll und sensibel zu denen sein, die ungeübt mit Feminismus oder gesellschaftlicher Vielfalt sind? Natürlich nicht, finden beide Gesprächspartnerinnen, denn Menschen haben unterschiedliche Grenzen und Ressourcen. „Es braucht Leute, die mit Rechten reden“, sagt Gümüşay, „aber das sollten auf keinen Fall alle machen. Es braucht eine gesunde Balance. Dass alle alles abdecken, ist einfach zu viel verlangt“.

Wie sehen also Strategien für eine feministische Bewegung im Jetzt und in der Zukunft aus? Vermutlich vielfältig, mutig und fehlerhaft. Ein (verbaler) Tomatenwurf mag manchmal nötig sein – doch auch im Kleinen und Stillen lässt sich etwas bewegen. Wichtig ist, dass je­de*r Verantwortung übernimmt. „Nicht, weil es jemand vorschreibt, sondern weil es ein Bedürfnis danach gibt“, sagt Sookee.

***

Vom 9. bis zum 14. September 2018 veröffentlichen wir täglich ein neues Podcast-Gespräch zu feministischen Streitthemen auf taz.de und unseren Kanälen bei Spotify und iTunes. Diesmal sprechen wir über wohlwollende und destruktive Kritik, mühsame Grabenkämpfe und wie sich das Übernehmen gesellschaftlicher Verantwortung positiv konnotieren lässt. Alle Gespräche erschienen zum Jahrestag des Tomatenwurfs am 13. September gedruckt in der taz. Mit diesem Spezial launchen wir außerdem auf taz.de einen Schwerpunkt zu feministischen Themen. Schließlich steht die taz seit 40 Jahren für kontinuierliche feministische Berichterstattung.

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3 Kommentare

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  • Im Unterschied zum früheren Feminismus, der Gleichheit auf seine Fahnen geschrieben hatte - und der die Sympathien und die Herzen auch vieler Männer und schließlich nahezu der ganzen Gesellschaft gewonnen hatte - scheint im aktuellen intersektionalen Feminismus der Impetus der Gleichheit überlagert, wenn nicht verdrängt durch einen nicht selten spürbaren Geist der Revanche, einen Geist des 'den-Spieß-Herumdrehens', einen Impetus der Überkorrektur.

    Wie oft wird in verächtlichem Ton von 'den Männern geredet'.

    Und welcher Mann mit einem Funken Selbstachtung dürfte die Rolle unterschreiben, die er im intersektionalen Konzept zugeschrieben bekommt: ganz unter, als verächtlicher 'alter, weißer Mann'. Als Generalsündenbock für alle Übel der Welt.

    Der aktuelle intersektionale Feminismus ist dabei, die Sympathien auch der Männer zu verspielen, die sich mit dem früheren Feminismus identifizieren konnten.

    Und pauschale Männerabwertung ruft ebenso pauschale Männerauf- und überwertung am rechten Rand hervor!

    Was wir brauchen, ist Gleichheit, keine Überordnung der einen über die anderen. Mann und Frau brauchen einander - sie in Feindstellung zu bringen kann nur schaden.

  • 9G
    99337 (Profil gelöscht)

    Eine sehr vernünftige Sichtweise. Man mag keine strammen Rechten und auch keine Hardcote-Sexisten für Feminismus begeistern können, aber doch jene gesellschaftlich Frustrierten, die sich in eine Fundamentalopposition begeben und somit empfänglich für die Neue Rechte sind.



    Und vor allem schreckt man mit einem sachlich vermittelten Feminismus keine Menschen ab, die viele Inhalte des Feminismus eigentlich teilen.

  • Zitat: "Wie sehen also Strategien für eine feministische Bewegung im Jetzt und in der Zukunft aus? Vermutlich vielfältig, mutig und fehlerhaft."

    Genau so. So oder gar nicht.