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Podcast „Häuserkampf“Kampf um die Platte

Der neue Podcast „Häuserkampf“ erklärt die deutsche Wohnraumkrise anhand einer Hausbesetzung in Berlin. Es ist ein wohnungspolitischer Krimi.

Ak­ti­vis­t:in­nen der Initiative „Leerstand Hab-Ich-Saath“ vor der Habersaathstraße Foto: Christian Mang

Wären Sie bereit, ohne Warmwasser und Heizung auszuharren, um einen Plattenbau aus dem Jahr 1984 zu retten? Im neuen Doku-Podcast „Häuserkampf – eine Platte will bleiben“ kommen Menschen zu Wort, die diese Fragen klar bejahen.

Es ist eine unscheinbare, blassgelbe DDR-Platte, für die unterschiedliche Ak­teu­r:in­nen diese Aktion auf sich nehmen: Die Habersaathstraße in Berlin-Mitte. Der Straßenname steht für den Plattenbau mit der Hausnummer 40–48 – und den Kampf um bezahlbaren Wohnraum, der hier seit Jahren ausgefochten wird. Dieser wird mit einer bemerkenswert breiten Front geführt. Eine Initiative aus Obdachlosen und Ak­ti­vis­t:in­nen besetzte die Platte bereits zweimal, Mie­te­r:in­nen blieben, und auch der Bezirk Berlin Mitte setzte sich für den Erhalt ein.

Warum Menschen für dieses Haus solche Strapazen in Kauf nehmen, erfahren Hö­re­r:in­nen in „Häuserkampf“. Produziert wurde der Pod­cast von Audiokombinat, einem Kollektiv aus sieben Journalist:innen. Zwei von ihnen, Johanna Tirnthal und Jürg Meister, haben mit der taz über ihr Projekt gesprochen. In der Habersaathstraße gibt es 105 Wohnungen, für die die Kaltmiete 6 Euro pro Qua­drat­me­ter beträgt. Doch das Haus steht fast leer, der Eigentümer Arcardia Estates GmbH möchte abreißen und neu bauen. Sieben Mie­te­r:in­nen stellen sich dagegen, woraus sich ein wahrer Krimi der Wohnungspolitik entspinnt.

Längst geht es beim Kampf um die Habersaathstraße nicht mehr nur um die 105 Wohnungen. Denn am Streit darum, ob die DDR-Platte schützenswerter Wohnraum ist, entscheiden sich Maßstäbe, die berlinweit gelten. Sind die Standards aus den 80ern nicht mehr ausreichend, dürfte massig abgerissen werden. „Das betrifft Platten, aber auch den beliebten Altbau“, erklärt Jürg Meister. Im Podcast heißt es, eine solche Entscheidung könne fast die halbe Stadt betreffen.

Auch Baukrise beleuchtet

Trotz der lokalen Brisanz ist „Häuserkampf“ kein Podcast ausschließlich für Berliner:innen. „Diese Dynamiken gibt es in fast allen deutschen Großstädten“, erklärt Meister. Seine Kollegin Johanna Tirnthal ergänzt: „Wir beleuchten auch die Baukrise. Das ist ein deutschlandweites Thema. Genauso wie die Folgen von Abriss und Neubau für das Klima.“ Der Podcast thematisiert auch das Recht auf Eigentum und Vergesellschaftung und zeigt den rechtlichen wie wirtschaftlichen Rahmen auf, in dem Spekulation mit Immobilien erfolgt. Kurzum: Es geht um die Hintergründe der Wohnungsnot.

Wie aktuell das ist, zeigten erst neulich Hochrechnungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe. Die Zahl der wohnungslosen Menschen in Deutschland ist 2022 deutlich gestiegen, auf 607.000 gegenüber 383.000 im Jahr 2021. Warum bezahlbarer Wohnraum so selten ist, wird in „Häuserkampf“ in präzisen Einordnungen gut greifbar. Ex­per­t:in­nen zeigen unterschiedliche Perspektiven – zum Beispiel aus Architektur oder Recht – auf die Wohnungskrise auf. Und auch die Eigentümer der Habersaathstraße kommen zu Wort.

Weitere Podcasts zur Wohnungsfrage

Gleichzeitig wird deutlich, welche Gesetze Mie­te­r:in­nen beim Kampf um bezahlbaren Wohnraum schützen. Für Meister und Tirnthal ist die Habersaathstraße deshalb auch Hoffnungssymbol. An diesem Beispiel schlüsselt der Podcast die Komplexität der Wohnungskrise ein Stück weit auf. In den ersten drei Folgen, die die taz vorab bekommen hat, gelingt und unterhält das gut – auch weil unterschiedliche Stimmen und musikalische Einspieler zu einem kurzweiligen Hörerlebnis beitragen.

Wer ins komplexe Thema der Wohnungspolitik tiefer einsteigen möchte, kann noch auf andere Podcasts zurückgreifen. „Schöner Wohnen – Zur Wohnungsfrage“ zum Beispiel erklärt unterschiedliche Facetten der Wohnungspolitik aus einer linken Perspektive und bemüht sich stellenweise, über Berlin hinauszublicken. Auch „Teurer Wohnen“ ist ein preisgekröntes Podcast-Format, das im Reportagestil die Funktionsweisen des Immobilienmarkts beleuchtet, mit Fokus auf Wertsteigerung und die Rolle von Steueroasen. Auch hier steht – abgesehen von Exkursen nach Ulm und Zypern – die Hauptstadt im Zentrum des Storytellings.

Zur Habersaathstraße werden in Berlin übrigens gerade Räumungsprozesse geführt. „Wir verfolgen das mit“, erzählt Johanna Tirnthal. Wenn Mitte Dezember die letzten beiden Folgen erscheinen, soll ein Teil der Urteile bereits feststehen. Die Ma­che­r:in­nen wollen ihre Pod­cast-­Hörer:innen dann auf den neusten Stand bringen.

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1 Kommentar

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  • Ich verstehe die Bewohner, die keine Alternative habe und ein Dach über dem Kopf brauche (wenn vielleicht auch nicht in Berlin). Bevor abgerissen werden kann, brauchen diese Leute eine Alternative und das ist auch Gesetzeslage. Wer die Plattenbauten der DDR aber aus Prinzip für erhaltenswert hält, hat die damit verbundene innerliche Verwahrlosung und Bildung von rechtsradikalen Parallelmilieus nicht verstanden.