Plenarsitzung im Abgeordnetenhaus: Gut Ding will offenbar Weile haben
Die erste Gesetzeslesung zur Verwaltungsreform zeigt, dass ein Beschluss kein Selbstläufer ist und noch für längere Debatten im Parlament sorgen wird.

Beschlossen ist das Gesetzespaket nach einem Vierteljahrhundert vergeblicher Anläufe damit aber noch nicht. In einer sonst eher ruhigen Debatte zeigt sich an einigen kurzen, aber zentralen Stellen, dass dafür noch einiges zu klären ist.
Verwaltungsreform, das ist der Versuch, Berlins Behörden und Ämter effizienter zu machen. Das vorrangige Problem bisher: Es gab keine Übersicht, was Senatsverwaltungen und Bezirke überhaupt zu tun haben, oft waren Aufgaben nicht klar zugeordnet. Die für die Reform in Wegners Senatskanzlei zuständige Staatssekretärin Martina Klement (CSU) berichtete schon vor Monaten, dass bei letztlich über 4.000 Aufgaben 800 zwischen den beiden Ebenen strittig seien und sich bei 300 davon niemand zuständig fühlen würde.
Das führte oft zum Verwaltungs-Pingpong: Ein Bürger, ein Unternehmen, ein Wohnungsbauentwickler fragt wegen einer Information, einer Genehmigung, einer Zusage an, wird an eine andere Stelle verwiesen, die zurückverweist, weil sie sich nicht für zuständig hält. Das kann nicht nur Zeit und Nerven kosten, sondern auch neue Wohnungen und Arbeitsplätze.
Überparteiliche Zusammenarbeit
Regierungschef Wegner hatte sich schon 2023 mit allen Bezirksbürgermeistern zusammengesetzt. Seit Anfang 2024 hat zudem mehrfach eine Spitzenrunde der Koalition mit den Fraktionschefs von Grünen und Linkspartei getagt. Deren Stimmen braucht Wegner, weil er es für unerlässlich hält, die Reform in der Landesverfassung zu verankern. Ende Februar schien in diesem Kreis alles geklärt
Woran hakt es also noch? Zum einen daran, wer am Ende das Sagen hat. In Teilen der SPD hält man es auch verfassungsrechtlich für unabdingbar, dass der Senat nicht an das Votum der geplanten Einigungsstelle gebunden ist. Im vorige Woche beschlossenen Senatsentwurf ist formuliert, man könne sich „in gewichtigen Einzelfällen“ darüber hinwegsetzen.
Zudem gibt es Debatten darüber, wofür der Senat den Bezirken zwingend ausreichend Geld zusichern muss. Beides aber entspricht offenbar nicht dem, was Wegner, die Koalition und Linkspartei und Grüne in der Spitzenrunde Ende Februar festlegten – und was Grundlage für den Senatsbeschluss sein sollte.
Darum ist am Donnerstag von Grünen-Fraktionschef Werner Graf nach viel Lob – „ein Meilenstein für ein besseres Berlin“ – zu hören: „Am Abgeordnetenhaus wird es liegen, das zu korrigieren.“ Und Linksfraktionschef Tobias Schulze kündigt nach Ausführungen zur Gründung von Groß-Berlin 1920 an: Für Neues gegenüber der Einigung vom Februar „stehen wir nicht zur Verfügung“.
SPD will intensiv prüfen
Bei der SPD jedoch klingt es nicht so, als sei man gewillt, die Kritik anzunehmen und einzulenken. Man werde „so gründlich wie nötig vorgehen“, sagt ihr Fraktionschef Raed Saleh. Das Reformpaket werde man in einer Anhörung „und gegebenenfalls auch mit Gutachten“ intensiv prüfen. Sorgfalt sei geboten, „denn es sind noch einige zentrale Fragen zu klären“.
Wegen der Mai-Feiertage, die beide auf einen Donnerstag fallen, tagt das Abgeordnetenhaus erst wieder in sechs Wochen. Danach bleiben bis zur Sommerpause ab dem 11. Juli noch drei Sitzungen für den Beschluss des Reformpakets.
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