Pleite des chinesischen Konzerns Evergrande: Aufstieg und Fall des Xu Jiayin

Das Immobilienunternehmen Evergrande steht vor einem Schuldenberg. Gründer Xu hat eine bewegte Geschichte hinter sich.

Portrait von Xu Jiayin

Xu Jiayin: früher Süßkartoffeln, dann goldener Hermes-Gürtel. Und jetzt? Foto: imago

PEKING taz | Seine Biografie gleicht einer Achterbahnfahrt: „Während meiner Schulzeit gab es nur Süßkartoffeln und gedünstetes Brot zu essen“, sagt Xu Jiayin über seine Kindheit in der zentralchinesischen Provinz. Gut 40 Jahre später ist der Evergrande-Gründer der reichste Mann des Landes, der für eine Rede beim Nationalen Volkskongress vor den Pekinger Parteikadern etwa einen goldenen Hermes-Gürtel trug.

Nun jedoch steht Xu im dritten Akt seines Lebens vor einem unternehmerischen Scherbenhaufen. Der Marktwert seines Immobilienimperiums ist um rund 90 Prozent geschrumpft, der Schuldenberg hingegen auf über 300 Milliarden Dollar angewachsen. Erst am Donnerstag hat Xus Firma eine wichtige Zahlfrist in Höhe von 84 Millionen Dollar an Geldgeber aus dem Ausland verstreichen lassen.

Im Jahr 1958 in der Provinz Henan geboren, starb Xus Mutter nur wenige Monate später an einer Blutvergiftung. Der Vater brachte die Familie als Lagerhausarbeiter über die Runden. Dass er in den 1940er-Jahren als Soldat gegen die japanische Armee kämpfte, half während der Hungersnöte unter Mao Tse-tung, den Zugang zu staatlichen Essensrationen nicht zu verlieren. In jenen Jahren wuchs Xu Jiayins unbedingter Wille, der tristen Armut zu entfliehen. Doch noch hielt das kommunistische Land die unternehmerische Energie seiner Bevölkerung unter Verschluss.

Als nach den Wirren der Kulturrevolution (1966 bis 1976) die Universitäten wieder öffneten, absolvierte der schon damals zielstrebige Xu ein Hochschulstudium in Wuhan. Als 20-Jähriger heuerte er schließlich bei einem Stahlwerk an, wo er schon bald eine leitende Position ergatterte. Mit Reformer Deng Xiaoping kam es dann zu einem privatwirtschaftlichen Öffnungskurs. Xu zog in die Sonderwirtschaftszone Shenzhen, wo er das Geschäftsmodell für seine Firma Evergrande entwickelte: moderne Apartmentsiedlungen für die neue, stetig wachsende Mittel- und Oberschicht. Sein expansiver Kurs ist dabei von Beginn an auf Verschuldung aufgebaut: Er denkt im Vergleich zur Konkurrenz stets eine Nummer größer, in über 280 Städten baut sein Unternehmen Evergrande riesige Immobilienprojekte, beschäftigt über 200.000 Mitarbeiter.

Unbeirrbar auch im Untergang

Auch seine Ehe, so scheint es, passt perfekt in den Karriereplan: Ding Yumei ist die Tochter eines hochrangigen Parteisekretärs. Jene Fusion aus unternehmerischem Talent und politischem Netzwerk bildet die Grundlage des Firmenerfolgs.

Doch Xu verbrennt sich bei seinem unternehmerischen Höhenflug irgendwann die Flügel: Evergrande expandiert in den letzten Jahren in Internetdienste, Elektroautos, Mineralwasser und Versicherungen. Der Konzern pumpt zudem etliche Milliarden in das Fußballteam Evergrande FC, welches teure Stürmerstars aus Brasilien anheuert. Dass sich Xu Jiayin diesmal endgültig verzockt hat, gilt unter Branchenbeobachtern als gesichert. Nur Xu selbst gibt sich weiterhin kampfbewusst: „Ich glaube fest daran, dass Evergrande niemals aufgeben wird“, schrieb er letzte Woche in einer Sammelmail an seine Angestellten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.