Platzumbenennung in Berlin-Lichtenberg: Spätes Gedenken an ein Opfer rassistischer Gewalt
Nach jahrelangem Druck der Zivilgesellschaft wird in Lichtenberg der Eugeniu-Botnari-Platz eingeweiht. Der Rom aus Moldau wurde 2016 totgeprügelt.
Dass die Benennung des bislang namenlosen Platzes am Bahnhof Lichtenberg nun tatsächlich kommt, sei vor allem dem breiten zivilgesellschaftlichen Engagement von Lichtenberger Bürgern zu verdanken, sagt Jana Adam, Projektkoordinatorin der Berliner Register. „Die Initiative ist über Jahre auf viel Widerstand gestoßen. Auch medial wurde Botnari, obwohl Opfer, als Ladendieb und Obdachloser verunglimpft.“
2015 kam Eugeniu Botnari aus Moldau nach Berlin. Laut der Initiative „Niemand ist vergessen“, einer Gedenkkampagne für Opfer rechter Gewalt, hatte der 33-Jährige keinen festen Wohnsitz und kam bei Freunden und Familienangehörigen unter. Am 17. September 2016 wurde er in einer Edeka-Filiale im Bahnhof Lichtenberg vom Filialleiter André S. des Diebstahls bezichtigt und mit schlagverstärkenden Quarzhandschuhen verprügelt.
Der Filialleiter filmte seine Tat und kommentierte diese mit rassistischen Bemerkungen. Weil der Schwerverletzte keine Krankenversicherung hatte, ging er zunächst nicht zum Arzt. Drei Tage später tat er es doch, wurde ins Krankenhaus eingeliefert – und starb am Tag darauf an einer Hirnblutung.
Im Prozess gegen den Angreifer wurde laut „Niemand ist vergessen“ die rassistische Einstellung des Mannes offenkundig. „Allen Prozessbeobachter*innen wurde klar, dass es ähnliche Taten schon mehrfach gegeben hatte. So benutzte der Filialleiter laut Zeug*innenaussagen seine Quarzsandhandschuhe regelmäßig gegen jene, die er als vermeintliche ‚Ausländer‘ erkannte. Diese waren meistens obdachlos.“ S. wurde im März 2017 wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu 3 Jahren und 3 Monaten Haft verurteilt.
Forderung der Namensgebung seit 2020
Die Initiative „Aktives Gedenken in Lichtenberg“ erinnert seit Jahren regelmäßig an Botnaris Schicksal. Die Forderung, den Vorplatz des Bahnhofs nach ihm zu benennen, brachte sie 2020 öffentlich auf, das Bündnis „Bunter Wind für Lichtenberg“ appellierte in diesem Sinn an die Bezirksverordnetenversammlung. Im April 2023 folgte ein entsprechender Beschluss des Bezirksamts.
Doch erst jetzt, zwei Jahre später, wird der Platz und mit ihm eine Gedenktafel feierlich eingeweiht. Dass es so lange gedauert hat, erklärt die zuständige Bezirksstadträtin Filiz Keküllüoğlu (Grüne) vor allem damit, dass nach dem Beschluss eine längere Diskussion in verschiedenen Gremien über den Text für die Gedenktafel entbrannte.
Die einen wollten den Begriff „fremdenfeindlich“ nicht darin lesen, die anderen nichts von „rassistisch“. Nun steht auf der Tafel, die vor einigen Wochen aufgestellt wurde: „In Erinnerung an alle Opfer extrem rechter und menschenverachtender Gewalt“. Das sei ein „ein guter Kompromiss, den alle mittragen können“, findet Keküllüoğlu.
Für die Initiative „Aktives Gedenken“ ist die lange Dauer ein Zeichen dafür, „wie wenig sozialchauvinistische Gewalt in Lichtenberg und in unserer Gesellschaft generell benannt und diskutiert wird“.
Während der Diskussionen um die Benennung hätten Bezirkspolitiker von AfD und FDP deren Sinnhaftigkeit immer wieder in Zweifel gezogen und Botnari verunglimpft. Die Springer-Zeitung B. Z. assistierte und titelte nach dem BVV-Beschluss: „Berliner Platz nach totem Ladendieb benannt“.
Antiziganistische Komponente
Umso erfreulicher sei nach all der Hetze, dass es nun endlich zur Benennung komme, heißt es von der Gedenkinitiative: „Wir hoffen, dass dieses Andenken den Verantwortlichen im Bezirk auch in Zukunft präsent ist und den Umgang mit Obdach- und Wohnungslosigkeit in unserem Kiez beeinflusst.“
An der feierlichen Einweihung wird auch Nina Ferch von der Roma-Selbstorganisation Amaro Foro teilnehmen. Denn Botnari war Rom. Der tödliche Angriff auf ihn habe daher auch eine antiziganistische Komponente, sagt Ferch zur taz: „Botnari war ein besonderer Fall, der verschiedene Diskriminierungen in sich vereint: Antiziganismus, Rassismus und Sozialchauvinismus.“
Wie viele Roma aus Ost- und Südosteuropa sei Botnari zum Arbeiten nach Berlin gekommen, auch er habe zunächst auf Baustellen gejobbt. Menschen wie er bauten „halb Berlin“, verdienten aber so wenig, dass sie sich nicht mal eine Wohnung und Krankenversicherung leisten können, sagt Ferch. Die Benennung des Platzes sei auch deshalb „ein starkes Zeichen für die Community“. Zugleich zeige sie der Zivilgesellschaft, dass es sich lohnt, sich dafür starkzumachen, dass das Gedenken an Opfer rechter Gewalt sichtbar wird.
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