Platzbenennung in Wedding: Das bessere Argument
In der Weddinger Müllerstraße wird ein namenloser Platz nach den Antifaschisten Elise und Otto Hampel benannt. Der Weg dahin war steinig.
Der Wegweiser vor dem Rathaus Wedding an der Müllerstraße zeigt die Richtung zu den Partnerstädten des Bezirks Mitte: Tourcoing, Higashiosaka, Bottrop. Die Schilder sind alt und bekritzelt. Aber drum herum tut sich was: Der Rathausneubau, ein zehnstöckiges Hochhaus aus den 60ern, wurde saniert, hier zieht bald das Jobcenter Mitte ein, ebenso in den alten BVV-Saal, einen Glaskasten auf Betonstelzen. Für die Schiller-Bibliothek, die hier zwischenzeitlich untergebracht war, wurde am südlichen Rand des Vorplatzes ein schicker Neubau errichtet. Der Pavillon mit dem türkischen Café Simit Evi, einer Weddinger Institution, kann bleiben, nur ein bisschen kahl ist es hier nach einigen Baumfällungen.
So weit sieht also alles gut aus. Weniger schön: der Konflikt um die Benennung des bisher namenlosen Platzes. Es hatte einen Ideenwettbewerb gegeben, die Wahl der rot-schwarz dominierten BVV Mitte fiel auf „Elise-und-Otto-Hampel-Platz“. Das Weddinger Ehepaar war in den Widerstand gegen die NS-Herrschaft gegangen und 1943 hingerichtet worden (s. Kasten).
Einfach veranlassen konnte das Bezirksamt die Namensgebung aber nicht: Der Platz gehört nicht dem Bezirk, sondern, genau wie das Hochhaus, der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM). Und die stellte sich Ende 2014 nach anfänglicher Zustimmung quer. Begründung: Ein neuer Name gelte, „anders als ursprünglich angenommen“, auch für die Adressen der Anlieger, also etwa das Jobcenter. Das schaffe Verwirrung für all jene, die hier etwas erledigen müssten. „Müllerstraße 147“ sei in jedem Fall die bessere Wahl.
Nun die gute Nachricht: Der Elise-und-Otto-Hampel-Platz kommt trotzdem, so oder so. In den letzten Monaten haben Politiker aller BVV-Fraktionen, aber auch viele Anwohner das Gespräch mit der BIM gesucht und ihr Unverständnis über deren Entscheidung geäußert. Das blieb offenbar nicht ohne Wirkung. „Wir befinden uns im Gespräch mit der BVV“, sagt BIM-Sprecherin Katja Cwejn, „es gibt den beiderseitigen Willen, ein gutes Ergebnis zu erreichen.“
Die SPD-Bezirksverordnete Vera Morgenstern, Vorsitzende der AG Geschichte im Kulturausschuss der BVV, bestätigt das: „Die BIM hat klar signalisiert, dass sie dem Anliegen der Anwohner sowie den Beschlüssen der Stadtteilvertretung Müllerstraße und der BVV entsprechen will.“ Nur dass es kein offizielles Straßenschild geben wird. Aber es sei ja immer noch eine Lösung im ursprünglichen Sinn, solange der Platz erkennbar nach den Hampels benannt werde.
Morgenstern ist optimistisch und rechnet „zeitnah“ mit einer Entscheidung. Aber wenn alle Stricke reißen, gibt es auch einen Plan B: Kulturstadträtin Sabine Weißler (Grüne) weist darauf hin, dass die Fraktionen in der BVV Vorsorge getroffen haben. Auf der Sitzung im März ersuchten sie das Bezirksamt, „sich dafür einzusetzen, dass nach der erfolgten Flächenneuzuweisung am Rathaus Wedding eine Platzbenennung nach Elise und Otto Hampel auf den dem Bezirksamt Mitte zugeordneten Flächen vorgenommen wird.“
Hintergrund ist eine Art Flurbereinigung rund um das Rathaus. Während der Vorplatz an der Müllerstraße ins Eigentum der BIM übergeht, erhält das Bezirksamt die Flächen auf der Rückseite. Dort ist im Zuge der Neugestaltung geplant, einen Grünzug zu schaffen, der das Gebiet rund um die Beuth Hochschule für Technik parallel zur stark befahrenen Luxemburger Straße erschließt. Dieser Platz, so Weißler, könne dann nach den Hampels benannt werden.
Wie gesagt: So weit wird es wohl gar nicht kommen. Das bessere Argument scheint sich durchgesetzt zu haben, auch wenn es nur eine „kleine Lösung“ ist. Vielleicht konnte sich die BIM auch einfach nicht dem politischen Konsens entziehen: Immerhin gehört sie zu 100 Prozent dem Land Berlin.
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