Platz für ein neues Stadtviertel: Astra geht – was dagegen?
Die Astra- und Holsten-Brauerei zieht von Altona nach Hausbruch. Dafür bekommt die Neue Mitte Altona einen dritten Bauabschnitt mit über 1.500 Wohnungen.
HAMBURG taz | Fröhliche Gesichter bei allen Beteiligten – es scheint, als sei ihnen der perfekte Deal gelungen. Der sieht vor, dass die Holsten-Brauerei, seit 2004 in der Hand des dänischen Bierbrauers Carlsberg, 2018 von Altona nach Hamburg-Hausbruch umzieht. Größe und Verkehrsanbindung des bisherigen Geländes, das seit 1879 als Brauerei-Standort genutzt wurde, waren für Carlsberg „nicht mehr optimal“. Nun wartet am Heykenaukamp, direkt an der Autobahn, eine 6,5 Hektar große Gewerbefläche, die sich die Carlsberger in Erbbaupacht für 90 Jahre – und damit langfristig – gesichert haben.
Das freiwerdende Brauerei-Areal, immerhin 8,65 Hektar groß, übernimmt der Projektentwickler Gerchgroup, der hier für eine Investitionssumme von geschätzt 750 Millionen Euro ein neues, innerstädtisches Wohn- und Kleingewerbequartier samt einem Hotel errichten wird. Voraussichtlich Anfang 2021 sollen die ersten der 7.500 neuen BewohnerInnen hier einziehen. Das Quartier an der Harkortstraße schmiegt sich direkt an den ersten Bauabschnitt der „Neuen Mitte Altona“ an, in dem Wohnungen für 1.600 Menschen entstehen.
Das neue Quartier wird in einer fünf- bis siebenstöckigen Kompaktbauweise geplant; jeweils ein Drittel der mindestens 1.500 Wohnungen, die hier entstehen sind Eigentums- sowie frei finanzierte Miet- und Sozialwohnungen. „Wir sorgen damit dafür, dass innerstädtisches Wohnen erschwinglich bleibt“, lobte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) seinen rot-grünen Senat, während die Linke monierte, ein Drittel geförderter Wohnungsbau sei viel zu wenig.
„Es ist bei einer Standortverlagerung eines Brauereigeländes noch keiner europäischen Metropole gelungen, die Bierproduktion innerhalb der Stadtgrenzen zu halten“, sagte Scholz mit Blick auf das Verhandlungsergebnis. Auch das Stammhaus von Carlsberg braut nach einem Umzug mittlerweile vor den Toren Kopenhagens.
Bauboom: Durch die Verlagerung des Fernbahnhofs Altona, der Holsten-Brauerei und zahlreicher Schrebergärten auf den A7-Deckel wird in Altona Fläche für rund 7.000 Wohnungen frei.
Fassaden: „Hamburger Klinker“ soll die Außenwände der meisten neuen Wohnhäuser in Altona zieren.
Tradition: Das Sudhaus und der Julius-Turm mit dem Holstenritter, dem Wahrzeichen der Brauerei, sollen als städtebauliche Akzente erhalten bleiben.
Der Umzug und die damit verbundene „effizientere Produktion“ kosten allerdings einige der derzeit 460 Hamburger Carlsberg-Arbeitsplätze – wie viele mochten die Carlsberg-Manager am Dienstag noch nicht sagen. Auch führt der schwächelnde Biermarkt dazu, dass die Gesamtproduktion von derzeit 1,2 Millionen Hektoliter auf eine gesenkt werden soll.
200 Arbeitsplätze und damit knapp die Hälfte der Carlsberg-Mitarbeiter, die in Verwaltung und im Marketing arbeiten, werden sowieso in Altona bleiben und auf dem alten Brauerei-Areal in einem noch zu entwickelnden Bürokomplex unterkommen.
Das neue Altonaer Wohnquartier soll nun mit intensiver Bürgerbeteiligung entwickelt werden, versprachen Gerchgroup-Manager Mathias Düsterdick, Bezirksamtschefin Liane Melzer (SPD) und Oberbaudirektor Jörn Walther.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind