Plädoyers im Wehrhahn-Prozess: Noch immer keine Gewissheit
Die Staatsanwaltschaft fordert „lebenslänglich“ für den rechtsextremen Angeklagten. Die Verteidigung will für ihren Mandanten einen Freispruch.
Am Freitag ist der Anschlag von Wehrhahn exakt 18 Jahre her, und nach wie vor gibt es nur eine Spur: die zum Ex-Soldaten Ralf S. – Angeklagter vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf. An diesem Donnerstag verlesen Staatsanwaltschaft und Strafverteidigung hier ihre Plädoyers.
Die Stimmung ist angespannt. Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück bittet darum, man möge von ihm keine Fotos machen: Ein Zeuge hatte am Montag berichtet, S. habe angekündigt, Herrenbrück zu töten. Als der Angeklagte mit Sonnenbrille und Hut zur Verhandlung eintrifft, geht er einen Journalisten an, der ihn fotografiert.
Das Persönlichkeitsbild von S. ist für die Anklage wichtiger, als man es sich als Staatsanwaltschaft wünschen dürfte. Es gibt keine Beweise wie DNA-Spuren, auch keine Augenzeugen, die beispielsweise gesehen hätten, wie S. die Bombe platzierte oder auslöste. Alles, was es gibt, sind Indizien und der Charakter des Angeklagten. Dementsprechend fußt die Verteidigung von S. vor allem darauf, alles als Zufall zu bezeichnen, ZeugInnen Lügner zu nennen und S. als verschrobenen Spinner darzustellen, der zwar prahlt und lügt, aber unschuldig ist.
Ein früherer Mithäftling von S. hatte angegeben, S. habe gesagt: „Ich habe die Kanaken weggesprengt.“ Diese Aussage hatte dazu geführt, dass S. im letzten Jahr als Verdächtiger festgenommen wurde, 17 Jahre nach der Tat. Schon direkt nach dem Anschlag war der damalige Betreiber eines Ladens für Neonazimilitaria ins Visier der Polizei geraten, damals konnte ihm jedoch kein dringender Tatverdacht nachgewiesen werden.
Doch die Verteidigung gibt an, die Aussage im Knast sei nur Prahlerei ohne Tatsachenbasis gewesen, genauso wie S.’ Behauptung, im Umgang mit Sprengstoff ausgebildet worden zu sein. In einem weiteren Mitschnitt bezog sich der Angeklagte auf den Anschlag mit den Worten, „Was ich da gemacht habe“ und korrigierte dann: „Gemacht haben soll.“
Trotzdem hat die Strafkammer den Angeklagten vor wenigen Wochen aus der Untersuchungshaft entlassen. Begründung: Es bestehe kein „dringender Tatverdacht“. Dass die Straftat 18 Jahre zurückliegt, macht den Prozess nicht einfacher: Falsche Erinnerungen von Zeugen, die wirklich glauben, das Beschriebene erlebt zu haben, sind genauso gefährlich wie bewusste Falschaussagen.
Urteil nächste Woche erwartet
Für Oberstaatsanwalt Herrenbrück ist die Sache klar. S. trete offen ausländerfeindlich auf und sei manipulativ, geltungs- sowie rachsüchtig, sagt er in seinem Plädoyer über den Angeklagten, der drei Tätowierungen mit Nazi-Motiven trage. Dann zählt Herrenbrück die Indizien auf: Ausländerfeindliche Straftaten richteten sich gewöhnlich gegen das Gebäude, in dem die Menschen verkehren. Der Anschlag sei am S-Bahnhof erfolgt, um keinen Verdacht zu erregen – weil der Militaria-Laden von S. direkt gegenüber der Sprachschule lag.
Ein Alibi habe der Angeklagte nicht. Am Tag der Tat sei er von der Arbeit nach Hause gekommen, habe geschlafen und Musik gehört, so habe S. gesagt. Tatsächlich sei er krankgeschrieben gewesen, so Herrenbrück.
Am Ende ihrer Plädoyers fordern Staatsanwaltschaft und NebenklägerInnen eine lebenslängliche Freiheitsstrafe wegen versuchten Mordes in zwölf Fällen. Die Verteidigung plädiert auf Freispruch. Das Urteil wird nächste Woche erwartet.
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