Pistorius in Bosnien und Herzegowina: Absage an Abspaltungsfantasien
Der Verteidigungsminister betont das Engagement Deutschlands. Zum Präsidenten der serbischen Teilrepublik findet er deutliche Worte.
Die Hoffnungen auf Deutschland sind in der bosnisch-herzegowinischen Hauptstadt Sarajevo hoch – und wurden immerhin nicht völlig enttäuscht. Verteidigungsminister Pistorius betonte: Das Engagement Deutschlands in Bosnien und Herzegowina wolle er kontinuierlich fortsetzen. Man wolle verhindern, dass Russland „einen weiteren Krisenherd, einen weiteren möglicherweise zu destabilisierenden Raum missbrauche, um seinen Einfluss zu erweitern, in der Annahme oder in der Hoffnung“, den Westen so destabilisieren zu können, sagte Pistorius.
Der SPD-Politiker erteilte der Abspaltungsrhetorik von Milorad Dodik, Präsident des serbischen Teilstaats (Republika Srpska) des Bundesstaats Bosnien-Herzegowina, eine deutliche Absage: Man könne nicht auf zwei Hochzeiten tanzen, sagte er. Damit spielte Pistorius auf die Drohungen des serbisch-bosnischen Dodik an, er werde die serbische Entität aus dem Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina herauslösen.
Dodik steht derweil seit Montag in Sarajevo vor Gericht, wegen seines Widerstands gegen den Hohen Repräsentanten Christian Schmidt. Das Amt des Hohen Repräsentanten mit seinen weitreichenden Befugnissen – unter anderem das Aufheben von Gesetzen und Entlassen gewählter Vertreter – gibt es seit dem Ende des Bosnien-Krieges im Jahr 1995. Dodik habe seine Entscheidungen missachtet. Ein „rein politischer Prozess“ sei das, so Dodik. Bis zu fünf Jahre Haft drohen dem 64-Jährigen, der als kremlnah gilt.
Ist auf die Eufor unter ungarischem Kommando Verlass?
Der gesamte westliche Balkan sei für die Sicherheit und die Stabilität in Europa von großer Bedeutung, sagte Pristorius. Sein Amtskollege Helez erklärte, Bosnien und Herzegowina werde eine Abspaltung – wie sie etwa Dodik gefallen würde – nie akzeptieren, warnte aber vor der weiteren Destabilisierung des Landes.
Die bisherige Sicherheitskonstruktion – die Sicherheit des Landes in den Händen der Militärmission Eufor (European Union Force) zu legen – ist in Bosnien und anderen Ländern allerdings umstritten. Denn das Kommando der Eufor übernahm im Sommer Ungarn. Angesichts der prorussischen Haltung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán sei damit der Bock zum Gärtner gemacht, so die Kritik. Die ungarischen Truppen könnten – so befürchten bosnische Analytiker – in einem Konfliktfall die Seiten wechseln.
Das wollen die Militärs beider Länder aber nicht glauben. Auf Nachfrage der taz wollten weder Helez noch Pristorius eine klare Stellungnahme zu der Forderung, Nato-Truppen in Bosnien zu stationieren, abgeben. Für Helez ist das zwar durchaus denkbar, doch Pistorius deutete an: Nur in letzter Konsequenz solle die Nato die Stabilität des Landes garantieren müssen.
Mitarbeit: Lisa Schneider
Hinweis: Im Text stand, dass die Vereinten Nationen den Hohen Repräsentanten ernennen. Das ist nicht korrekt, er wird vom Peace Implementation Council ernannt. Wir haben die Passage entfernt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin